Tex Rubinowitz bei der Heimfahrt vom Bachmannpreis mit der Bild am Sonntag (BAMS) - er brauchte das Blatt, um sich nach dem Literaturwettbewerb wieder zu erden.

Rubinowitz hat die BAMS (Bild am Sonntag) am Schoß. Das, sagt er, sei jetzt genau richtig: Nach drei Tagen im Literaturtornado brauche er etwas, was ihn erdet. Zurück in die echte Welt holt. Oder eben in jene Welt, in der die Mehrheit der Menschen daheim ist. Die Zugsfahrt von Klagenfurt nach Wien, meint Rubinowitz, sei da der richtige Zeitraum. Ein Korridor. Der Weg zurück.

Wir sitzen einander gegenüber. Jetzt gerade. Am Heimweg. Vom Wettlesen in Klagenfurt: Ich war zum zweiten Mal dort. Rubinowitz zum zehnten Mal. Er sei, hatte mir der Humorzeichner, Autor und Künstler gesagt, als wir uns im Vorjahr am Finaltag der Bachmannlesefestivitaten im ORF-Zentrum in Klagenfurt über den Weg liefen, nämlich ein "Literaturhooligan". Teil einer Gruppe. Einer Gang. Einem Rudel von Menschen, die aus ganz Deutschsprachig-Europa jedes Jahr hierher kämen - um gemeinsam zu hören, zu diskutieren und natürlich auch zu feiern.

Ein Who-is-Who

Einige der Gruppe sind bekannt. Die meisten im Medien- und Verlagsumfeld zu finden. Und viele sind in diversen Sideshows des Festivals aktiv. Etwa bei der "Riesenmaschine". Wenn Rubinowitz anfängt, zu erzählen, wer da wo was macht - sei es in Klagenfurt oder sonst im Leben - fallen den Zuhörern vor lauter Staunen die Ohren ab. Rubinowitz merkt das gar nicht: Was nach dem Who-is-Who der deutschsprachigen Kultur- und Media-Itelligenzija klingt, ist schlicht und einfach der Kosmos, in dem der 50-jährige lebt.

Der Bachmannpreis, erzählt Rubinowitz, sei ein Ausflug. Ein Familientreffen. Und natürlich sei das immer ähnlich. Oder fast gleich. Deshalb habe er - und sein Freundeskreis (ein Wort, das Rubinowitz nie verwenden würde) - längst begonnen, sich aktiv ins Geschehen einzubringen. Anfangs mit Duldung der offiziellen Veranstaltungsmaschinerie, mittlerweile aber mehr als bloß toleriert oder akzeptiert: neben dem starren, protokollarischen Ablauf braucht das Wettlesen Nebengeräusche, um nicht an der eigenen Ernsthaftigkeit zu ersticken.

Damit meint Rubinowitz aber mehr als bloß Partys oder Plattenspielerei am Lendkanal (er reiste - da er dort selbst aufgelegt hatte - wie immer mit wenig Gepäck: eine Brunnenmarkt-Plastiktasche voll Schallplatten, zwei T-Shirts, Zahnbürste). Am von ihm vor einigen Jahren ins Leben gerufenen "Bachmannschwimmen" etwa, erzählte er, hätten heuer erstmals auch Juroren teilgenommen.

Seerunde

Das Bachmannschwimmen sei eine kleine, der Jahreszeit und der Kondition der Akteure angepasste Sportveranstaltung. Eine kurze Strecke raus in den See, rund um eine Boje - und zurück an Land. In Summe vielleicht 150 Meter - und der Siegespreis ist eine Aufgabe: Wer als erster die kleine Wörtherseerunde beendet, muss im Folgejahr den Pokal stiften. Die Vorjahressiegerin, eine Lektorin eines bekannten Verlages, habe heuer eine Badeente am Kettchen fabriziert. Den allerersten "Pokal", erzählt Rubinwoitz, habe er einst als "Vorleistung" selbst gebastelt: Ein auf einen Christbaumstamm-Stumpf genageltes Blumengießkännchen mit der aufgelöteten Aufschrift "Bachmannschwimmen": "ich finde es nett, wenn Erwachsene wie Kinder basteln."

Peinliches Du

A propos Basteln, sagt Rubinowitz später, wenn es ums Bauen bei Bachmann gehe, gäbe es eine Aufgabe, die er gerne einmal erledigen würde: Der Jurorin Daniela Strigl will er einen Altar bauen. "Wir verehren sie alle. Sie hat ein sphinxeskes Charisma, ein gutes Gespür - und beginnt nach einer mehrjährigen Pause als Jurorin gleich mit einem Sieg." Leider, erklärt Rubinowitz, duze er sie: "Es ist mir einmal ein Du herausgerutscht - ich war nicht mehr ganz nüchtern. Ich wollte es gleich rückgängig machen. Aber sie hat mich streng angeschaut und gesagt: Nein, so etwa kann man nicht rückgängig machen. Dabei ist sie jemand, den man eigentlich siezen muss."

Die Jury, referiert Rubinowitz weiter, sei ja das Um und Auf des Bachmannpreises. Manche Juroren seien langweilig und bieder - aber die anderen eben das Salz in der Suppe: Allein über den Ewig schwelenden Konflikt zwischen den Alphatieren, allen voran aber von Burkhard Spinnen, könnte Rubinowitz tagelang erzählen - ein echter Fan eben, der in der Materie aufgeht.

Doch auch rund um den Preis, weiß Rubinowitz Geschichten zu erzählen. So sei an einem Abend Peter Wawercinek der Vorjahressieger mit ihm in einem Lokal gesessen. Wawercinek ist derzeit Stadtschreiber in Klagenfurt - und ein ihm bekannter Yellowpressfotograf sei zur Gruppe gestoßen. Der Fotograf habe von den letzten royalen Hochzeiten erzählt - und ein spannendes Detail aufgezeigt: Angeblich, so der Paparazzo, trügen die Damen bei solchen Events Spezialwindeln - weil die Kombination aus ausuferndem Programm/Protokoll und den hochkomplizierten Ballkleidern keine andere Möglichkeit zuließen.

Höflicher Paparazzo

Das schöne an solchen Fabeln ist, dass sie nie belegt werden müssen. Und ja auch stimmen könnten. Weil sie ja plausibel klingen, sind wir uns einig. Freilich erinnerte mich die Anekdote an eine andere "Funktion" in der ich Rubinowitz kenne: In der des Mitbefülllers der Homepage "höfliche Paparazzi" nämlich. Ob es die noch gibt?

Rubinowitz lächelt. Ja und Nein. Die Seite gäbe es noch - doch meistens sei es dort sehr ruhig. Der Tross sei längst weiter gezogen. Zu anderen Themen - allerdings sei es spannend, dass ich ihn gerade jetzt darauf anspräche: Rund um den Bachmannpreis sei da immer einiges an Aktivitäten zu sehen. Zugriffszahlenmäßig.

Und noch etwas sei auffällig: Viele Leute, die hier einst intensiv gepostet und getextet hätten, wären mittlerweile Schriftsteller. Über 100 Bücher von Höfliche-Paparazzi-Autoren gäbe es mittlerweile. Und das, so Rubinowitz, bringe uns jetzt ein letztes Mal zum Bachmannpreis zurück: "Eine davon hat den Preis schon gewonnen."

PS: Spätabends meldet sich Rubinwoitz dann nochmal. Er habe etwa vergessen, postet er mir auf meine Facbebook-Pinwand: "Oh, und Überraschung, gesiegt beim Bachmannschwimmen hat Thorsten Ahrend (Wallstein Verlag), Lektor von Maja Haderlap, also ein Doppelsieg in 2 Aggregatszuständen, Papier und Wasser." Gruss Tex

(Thomas Rottenberg, derStandard.at, 10.7.2011)