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Foto: APA/Artinger

Die männerbündlerische Ausbremsung der Maria Rauch-Kallat am Tag ihres Abschieds aus dem Parlament hat vielfach Kritik hervorgerufen: Der Tenor: Es habe sich um einen Akt der Kleinlichkeit gehandelt. Dass die schwarze Männerriege den österreichischen Frauen die symbolische Anerkennung „großer Töchter" neben ebensolchen „Söhnen" in der Bundeshymne nicht gönnt, sei ungeheuerlich.

Auch über ein möglicherweise bestehendes Gefühl der Bedrohung bei den beteiligten ÖVP-Herren wurde spekuliert. Daher hätten sie lieber lange, fade Reden geschwungen (und damit Rauch-Kallat gehindert, ihren Antrag auf Bundeshymnen-Änderung zu begründen) als ihre langjährige Parteikollegin und Weggefährtin auf die ach so schreckliche „Töchter"-Forderung hin anzusprechen - und den Konflikt irgendwie zu klären.

Zehnjährigenniveau

Nun ist festzuhalten, dass sich besagte ÖVP-Herren offen frauenfeindlich verhalten haben. Auch wenn „Töchter" in der Hymne weder Alleinerzieherinnen einen akzeptablen Fulltimejob bescheren würden, noch die in der österreichischen Privatwirtschaft besonders weit klaffende genderspezifische Lohnschere verkleinern könnte: Die Sabotage von Rauch-Kallat Rede zeugt von einer Einstellung zum weiblichen Geschlecht auf Zehnjährigenniveau. Buben, die im Mathematikunterricht den Lehrer mit Beschlag belegen - wodurch ihre Mitschülerinnen nicht zu Wort kommen und als völlig unbegabt erscheinen - agieren nicht viel anders.

Doch sieht man von dieser Unerfreulichkeit einmal ab, war das Verhalten der ÖVP-Männer für österreichische Nationalratsabgeordnete auch völlig milieuadäquat. So, wie es im Parlament seit Jahren, ja Jahrzehnten läuft: Im Lichte des Klubzwangs, dieser heiligen Kuh, wurde schlicht und einfach eine „Abweichlerin" diszipliniert, die es gewagt hatte, ohne Sanktus von oben (vulgo Klubchef) über Klubgrenzen hinweg Mehrheiten zu suchen. Noch dazu zu einem ideologisch besetzten Thema (Frauengleichstellung und nationales Symbol), also einem, wo sich die ÖVP bemüßigt fühlt, nach rechts hin Flagge zu zeigen.

Fast wie Verrat

Tatsächlich kommt in der Bundes-Volksvertretung, Berichten aus gut informierten Kreisen zufolge, ein solches Verhalten gleich nach dem Verrat durch Fraktionswechsel bei knappen Mehrheitsverhältnissen. Man denke nur, eigenmächtiges, Klubgrenzen überschreitendes Mehrheitssuchen würde Schule machen! Dann könnte in reinen Sachfragen, aber etwa auch, wenn es um menschenrechtlich Relevantes wie zum Beispiel das „Bleiberecht" geht, durchaus neue Achsen gebildet werden - Achsen, die dem großkoalitionären Aussichtslosigkeitsspiel mit FPÖ und BZÖ als Krokodil widersprechen. Die Abstimmungsmaschine Parlament würde sich aus dem Inneren heraus ändern, die Machtverteilung anders funktionieren - unerhört!

Unter diesem Blickwinkel sollte das frauenfeindliche Männerdauerreden vielleicht auch verhindern, dass bei ganz normalen Abgeordneten Appetit auf mehr Demokratie im Parlament aufkommen könnte. Der Versuch ist leider gelungen.