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In der Defensive: Protest vor dem Gericht in Suez gegen die Abweisung einer Tötungsklage gegen einen Polizeioffizier.

Foto: Reuters/Waguih

 Den Aktivisten auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos ist das nicht genug.

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Am Samstag hat Regierungschef Essam Sharaf auf die Massendemonstration vom Freitag reagiert, die mindestens 200.000 Leute auf den Tahrir-Platz gebracht hatte, unter ihnen auch die Muslimbrüder. In einer kurzen Fernsehansprache gab er bekannt, dass er den Innenminister angewiesen habe, alle Polizisten und ihre Vorgesetzten, die beschuldigt werden, während den Revolutionstagen Demonstranten getötet zu haben, vom Dienst zu suspendieren. Mindestens 850 Menschen sind bis zum Sturz Mubaraks am 11. Februar ums Leben gekommen.

Sharaf versprach auch, dass der Staatsanwalt Berufung in allen Verfahren einleiten werde, bei denen die Angeklagten freigesprochen wurden. Bis jetzt ist nur ein Polizist verurteilt worden. Erst vor wenigen Tagen waren in Suez zehn angeklagte Polizisten gegen Kaution auf freien Fuss gesetzt worden. Auch drei Minister des alten Regimes erreichten Freisprüche in Verfahren wegen Verschleuderung von öffentlichen Geldern.

Diese Urteile haben den Volkszorn erneut entfacht. Er habe angeordnet, die Prozesse gegen die Mitglieder des Mubarak-Regimes zu beschleunigen, erklärte Sharaf weiter und betonte, er stehe loyal zu den Zielen der Revolution und werde alles tun, um die Sicherheit auf der Straße zu verbessern.

Seine Worte haben die Menge auf dem Tahrir-Platz noch anschwellen lassen. Ein harter Kern von Demonstranten hat den Platz seit Freitag nicht mehr verlassen und wieder einige Zelte aufgestellt. Am Sonntag blockierten die Aktivisten die Mogamma - das gigantische Verwaltungsgebäude auf dem Tahrir-Platz, wo sich täglich zehntausende Ägypter und Ägypterinnen irgendwelche Dokumente beschaffen müssen - und legten den Betrieb lahm.

Rücktritte gefordert

Den Demonstranten gehen die Zugeständnisse nicht weit genug. In Sprechchören verlangten sie den Rücktritt von Sharaf und von Feldmarschall Mohammed Tantawi, dem Chef des regierenden Militärrates. Die Koalition der revolutionären Jugend teilte mit, ihr Sit-in würde weitergeführt.

Die Menschen fühlen sich getäuscht. Sie finden, in Justiz, Polizei und Verwaltung seien immer noch zu viele Schlüsselpositionen von Exponenten des alten Regimes besetzt. Der Forderungskatalog enthält deshalb neun zentrale Punkte, davon war die Entlassung der beschuldigten Polizeioffiziere nur einer und nicht der wichtigste. Die Demonstranten verlangen etwa, dass Innenminister General Mansur el-Issawi entlassen und durch einen zivilen Ressortchef ersetzt wird und dass keine normalen Bürger mehr vor Militärgerichte gestellt werden.

Human Rights Watch hat nach den letzten Gewalttätigkeiten am 28. Juni eine Reform der Sicherheitskräfte verlangt, die mit einem Verhaltenskatalog für die Polizisten bei Demonstrationen und einer Untersuchung des Gebrauches von Schusswaffen während der Proteste beginnen sollte. (Astrid Frefel aus Kairo,, DER STANDARD, Printausgabe, 11.7.2011)