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180.000 Schwarzfahrer wurden 2010 von den Kontrolleuren der Wiener Linien erwischt - das entspricht rund drei Prozent der Fahrgäste.

APA-FOTO: JULIA SCHNIZLEIN

Wer kennt das Gefühl nicht: Da will man sich nur für eine kurze Strecke den Fahrpreis von 1,80 Euro sparen und hat dann permanent das ungute Gefühl, erwischt zu werden. Denn die Schwarzkappler wissen sich heute gut zu tarnen. Seit sie 1994 ihre schwarzen Kappen abgelegt haben und nur noch in zivil auftreten, könnte jeder Fahrgast ein potentieller Kontrolleur sein. Wenn dann der gefürchtete Satz "Fahrscheine, bitte!" durch den Wagon tönt, kostet der Fahrschein nicht mehr 1,80 Euro, sondern um 70 Euro mehr.

Dieser Nervenkitzel muss nicht sein: In Zeiten von Web 2.0 entdecken Schwarzfahrer neue Möglichkeiten, um den Kontrolleuren nicht ins Netz zu gehen. Seit Juni 2009 können Fahrgäste auf der Website schwarzkappler.info Warnmeldungen über Kontrollen sofort veröffentlichen und damit andere User vorwarnen.

Einfach "melden"-Button drücken

Das Prinzip ist sehr einfach: Wenn ein Passagier einen Kontrolleur erblickt, klickt er auf der Website den Button "melden". Es erscheint eine Maske, in der man Linie, Station und Art der Kontrolle (mobil oder stationär) eingibt. In einem Kommentarfeld kann man genauere Details, wie zum Beispiel die Beschreibung der Kleidung des Kontrolleurs, angeben. Die Warnmeldung wird sofort auf der Website sowie auf Facebook und Twitter veröffentlicht.

Je mehr Leute mitmachen und je mehr dies via mobiles Internet tun, desto nachvollziehbarer wird das Bewegungsprofil der Kontrolleure. Die User bleiben dabei völlig anonym. Es kann jeder mitmachen, eine Registrierung ist nicht notwendig.

Eine Plattform für Schwarzfahrer

Die Wiener Linien geben auf ihrer Homepage und auf ihrer Facebook-Seite jede Woche fünf Linien pro Tag bekannt, auf denen verstärkt kontrolliert wird. "Wir machen das, um zu zeigen, dass wir auch wirklich kontrollieren und um einen Anreiz zu schaffen, ein Ticket zu kaufen", so Anna Reich, Pressesprecherin der Wiener Linien.

Dieser Informationsdienst brachte auch David Steinbach, den Gründer der schwarzkappler.info, auf die Idee, sein Projekt zu starten: "Ich habe damals festgestellt, dass die 'offiziellen Warnungen der Wiener Linien' vollkommen willkürlich sind und nicht der Wahrheit entsprechen. Inzwischen hat sich diese Vermutung - durch einen Vergleich der offiziellen Warnungen und den Meldungen der User - bestätigt."

Gratis-Öffis für alle

Vor zwei Jahren wurde also begonnen, die Fahrgäste selbst Warnungen schreiben zu lassen. "Ich dachte mir in Zeiten von Web 2.0 und smartphones dürfte das wohl kein Problem mehr sein", sagt Steinbach. Die Besucherzahlen geben ihm mittlerweile Recht: Die Website hat ungefähr 50.000 Besucher pro Monat und es kommen immer mehr hinzu. Neben den Möglichkeiten mittels Web 2.0 sei diese Entwicklung auch der Mundpropaganda zu verdanken, so Steinbach.

Das Ziel der Plattform sei aber ein viel langfristigeres: Dass die Website irgendwann überflüssig werde. "Ich bin für Gratis-Öffis beziehungsweise viel billigere Preise. Weg vom Individualverkehr, hin zum öffentlichen Verkehr für alle. Die Jahreskarte um 100 Euro, so wie es die Grünen im Wiener Wahlkampf 2010 versprochen haben, würde ich sehr begrüßen", so Steinbach.

Ist das legal?

Da es sich bei der Website lediglich um ein offenes Forum zum Meinungs- und Informationsaustausch handelt, ist dagegen rechtlich nichts einzuwenden. Fotos und Namen von Kontrolleuren dürfen natürlich nicht veröffentlich werden. Dass sich die Begeisterung der Wiener Linien über schwarzkappler.info in Grenzen hält, liegt auf der Hand, dennoch gibt sich Anna Reich gelassen: "Ich kenne solche Plattformen und es wird immer Leute geben, die Schwarzfahren. Im Sinne der großen Mehrheit und das sind die zahlenden Fahrgäste, finden wir das aber nicht fair."

"Fahrscheine, bitte!"

Die Wiener Linien machen den Schwarzfahrern das Leben nicht gerade einfach: Sie wollen ihre Kontrollen nach wie vor verstärken. Im Moment werden pro Tag in etwa 20.000 Fahrgäste kontrolliert. "Wir wollen zeigen, dass sich Schwarzfahren nicht auszahlt und dass Schwarzfahren das teuerste Ticket ist", so Dominik Gries, Pressesprecher der Wiener Linien.

Im vergangenen Jahr wurden die Kontrollen bereits um ein Drittel erhöht. Das Resultat: Noch nie wurden so viele Personen ohne gültigen Fahrschein erwischt wie im Jahr 2010 - in Summe waren es rund 180.000. Insgesamt ist die Schwarzfahrerquote aber in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken und liegt momentan unter drei Prozent. Der "Trend zum Ticketkauf" sei laut Anna Reich auf die vermehrten Kontrollen zurückzuführen. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 11.7.2011)