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In der EU werden die Leistungen der so genannten "Daseinsvorsorge" mittlerweile als "Dienstleistungen von allgemeinem Interesse" bezeichnet. Diese Dienstleistungen spielen eine Schlüsselrolle in der europäischen Wirtschaft, sie tragen 26 Prozent zum EU-BIP bei und beschäftigen jeden vierten Arbeitnehmer in der Union - die meisten in den Sektoren Gesundheit und Sozialarbeit (20,5 Millionen Beschäftigte), öffentliche Verwaltung und Verteidigung (15,4 Millionen), Bildung (15 Millionen) und Nahverkehr, Eisenbahnen, Post und Telekom (5,9 Millionen).

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Hans Sailer, seit Dezember Vorsitzender des CEEP-Umweltausschusses, und VÖWG-Geschäftsführerin Heidrun Maier-de Kruijff, Österreichs Vertreterin in der CEEP-Generalversammlung.

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Öffentlicher Personenverkehr, Post und Telekommunikation, Strom und Gas, Wasser und Müllabfuhr: Rund 500.000 Unternehmen in der EU sind im Bereich der so genannten "Daseinsvorsorge" tätig. Organisiert sind alle diese Unternehmen, die 64 Millionen Mitarbeiter und damit jeden vierten Arbeitnehmer beschäftigen, im Europäischen Zentralverband der Öffentlichen Wirtschaft (CEEP).

Österreicher als Vorsitzender

Vorsitzender des CEEP-Umweltausschusses ist seit wenigen Monaten der Österreicher Hans Sailer, einst leitender Mitarbeiter der Wiener Wasserwerke und später Gruppendirektor für Umwelttechnik in der Baudirektion. Sailer ist mittlerweile mit 67 Jahren in der wohlverdienten Pension, aber eben nicht im Ruhestand: Er hat sich in seiner neuen Funktion viel vorgenommen, will für eine bessere Vernetzung der einzelnen Ausschüsse sorgen. Es sei ihm nämlich aufgefallen, dass die einzelnen Ausschüsse - Umwelt, Energie, Transport, Verkehr - "relativ eigenständig arbeiten, ohne Konnex zueinander", sagt Sailer gegenüber derStandard.at. Nachdem nun aber der Klimawandel sehr dick auf der Agenda der EU stehe, der in all diese Themen hineinspiele, sei eine stärkere Zusammenarbeit, ein gesamtheitlicher Ansatz gefragt.

Am morgigen Freitag findet nun erstmals eine gemeinsame Tagung von Umwelt-, Wasser-, Energie- und Verkehrsausschuss in Wien statt, dabei geht es in erster Linie um eine "gegenseitige Befruchtung" der Gruppen; " Gemeinsamkeiten in irgendeiner Art zu beleuchten", das sei der Hauptzweck, so Sailer.

"Pendant" zum EU-Gewerkschaftsbund

Vorschläge, die aus dem CEEP kommen, werden von der EU-Kommission "sehr ernst genommen", berichtet die österreichische Vertreterin in der CEEP-Generalversammlung, Heidrun Maier-de Kruijff - sie ist gleichzeitig Geschäftsführerin des Verbandes der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG). Dass die Ausschüsse nun koordinierter vorgehen, hält auch sie für absolut notwendig: "Es ist nicht immer so, dass das, was für den Energieausschuss gut ist, auch für den Umwelt- oder den Verkehrsausschuss gut ist. Da gibt es manchmal gegenteilige Interessen, wo man das Verständnis füreinander wesentlich erhöhen muss."

Der Umweltausschuss hat sich zuletzt mit der Begutachtung von Richtlinien zum Thema Mülllagerung beschäftigt. Die "alten" EU-Mitgliedsstaaten (für die neuen gilt eine längere Übergangsfrist) dürfen ab 2012 ihren Müll nicht mehr bloß deponieren, man muss in Zukunft mit dem Müll "etwas machen" - etwa verbrennen und als Fernwärme nutzen. "Nur: Solange man kein Netz hat, geht die Wärme in die Luft", so Maier-de Kruijff.

Auf der Tagesordnung der Sitzung stehen außerdem unter anderem die EU-Wasser-Rahmenrichtlinie, die Energieeffizienzrichtlinie und die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe von Bordeaux. (Die Rekommunalisierung privater Wasserversorger ist in vielen französischen Städten derzeit ein Thema, weil sich die beiden Konzerne Veolia und Suez, unter anderem wegen  katastrophaler Leitungsverluste und angeblicher Geheimdeals mit korrupten Politikern, immer schärferer Kritik ausgesetzt sehen.)

"Green Jobs" im Fokus

"Hintergedanke" der gemeinsamen Ausschusssitzung in Wien sei auch gewesen, "ein bisschen das Beispiel Wien zu präsentieren. Hier gibt es die Interaktion zwischen Müllverbrennung, Fernwärme und Kläranlagen schon lange." Es soll auch gezeigt werden, was im kommunalen Bereich schon jetzt an Energieeffizienz möglich ist, wenn man nur wolle. "Immerhin werden schon 37 Prozent der Wiener Wohnungen mit Fernwärme-Energie aus Müll bzw. der Abwärme der Kraftwerke geheizt."

In diesem Zusammenhang ist auch ein anderes Thema gerade in aller Munde, nämlich die vielzitierten "Green Jobs" - "da weiß aber niemand, was das eigentlich genau ist", so Maier-de Kruijff. Über eine einheitliche Definition wird gerade diskutiert, dies gestalte sich aber naturgemäß schwierig. "Ein 'Green Job' muss ja nicht immer nur mit CO2-Reduktion zu tun haben, sondern das kann auch der Straßenbahn- oder U-Bahn-Fahrer sein - weil er die Leute vom Pkw wegbringt."

Auch die Mitarbeiter der Müllverbrennung würden eben auch Strom und Fernwärme produzieren - "ist das dann kein Green Job? Wohl eher schon", sagt Sailer.

Daseinsvorsorge als "General Interest"

Der generelle Umgang der EU mit den "gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen", sprich der Daseinsvorsorge, habe sich in den letzten Jahren gebessert, erklären die beiden VÖWG-Repräsentanten. "Mittlerweile wurde im Vertrag von Lissabon der 'General Interest' verankert, der es den Mitgliedsstaaten überlässt, zu definieren, was sie unter einem 'Dienst von allgemeinem Interesse' verstehen. Kernpunkte sind: Allgemein zur Verfügung stehend, nicht diskriminierend, zu einem leistbaren Preis. Das ist so das ständige Wording. Aber eine wirkliche Definition gibt es nicht, so Maier-de Kruijff.

Grundsätzlich brauche die EU nicht alles zu harmonisieren, so die VÖWG-Geschäftsführerin. "Das 'allgemeine wirtschaftliche Interesse' ist natürlich in Großbritannien etwas anderes als in Frankreich. Das soll durchaus auch so bleiben." Gerade auch im Bereich der Wasserversorgung seien beispielsweise die Rechtsentwicklungen der Länder historisch völlig unterschiedlich verlaufen, erklärt Sailer. "In Österreich ist weder die Wasserver- noch die Abwasserentsorgung irgendwo als öffentliche Aufgabe definiert. In Deutschland ist demgegenüber die Abwasserentsorgung ex lege eine öffentliche Aufgabe - nicht aber die Wasserversorgung, interessanterweise."

Dass es neben dem unbeschränkten, freien Markt einen Bereich geben muss, wo andere Rahmenbedingungen herrschen, das stehe auch auf EU-Ebene mittlerweile außer Frage. "Wir produzieren lang anhaltende Lebensqualität. Und da müssen andere Regeln gelten", sagt Sailer. "Wenn man etwa im Bereich der Wasserversorgung eine Ausschreibung macht für die nächsten zehn Jahre, gibt es erstens meist sowieso nur zwei oder drei Anbieter, die das können." Einer davon gewinne dann eben. "Wenn sich aber nach fünf Jahren herausstellt, dass der das nicht kann - was soll man dann machen? Gibt es dann einen Markt dafür?", fragt Hans Sailer, und gibt sich gleich selbst die Antwort: "Nein." (Martin Putschögl, derStandard.at, 7.7.2011)