Neulich auf Facebook konnte ich mich auf dem Bild einer Bekannten selbst entdecken. Es war ein Zufall, vermutlich war der "Facebook-Freundin" gar nicht aufgefallen, dass sie mich in ihrem Schnappschuss verewigt hatte.
Es hätte auch keinen Grund gegeben, warum mir das Bild unangenehm hätte sein können - und dennoch fühlte ich mich auf unbestimmte Weise ertappt. Ein Gefühl, das Facebook bald vielen Mitgliedern bescheren wird: Denn das Netzwerk führt seit einiger Zeit automatische Gesichtserkennung ein.
Logisch und gespenstisch
Die neue Funktion ist logisch und doch gespenstisch zugleich. Logisch, weil schon jetzt eine oft genutzte Bildfunktionen "Tagging" von Personen ist. Damit kann man Bilder leichter herzeigen (Fotos mit entsprechendem Tag werden auf der Pinnwand des Betreffenden automatisch angezeigt), außerdem interessiert es ja, wer auf den Bildern von Freunden zu sehen ist.
Gespenstisch, weil der Gedanke, auf Bildern im Netz so leicht und schnell wie in Texten zu finden zu sein, Fantasien von ständiger Überwachung auslöst. Selbst der frühere Google-Chef Eric Schmidt, unter dem Street View eingeführt wurde, nennt Gesichtserkennung "creepy": Es sei die einzige Technologie, die Google zwar entwickelt, aber nicht eingesetzt habe.
Unterschied
Dabei macht es einen Unterschied, ob Facebook oder Google diese Technologie einsetzen. Facebook ist, obwohl ein Online-Riese, eine "geschlossene" Veranstaltung, Google eine offene Suchmaschine. Würde Google Gesichtserkennung einsetzen, würden damit alle Fotos indiziert werden, könnte nach Personen in Kombination mit anderen Kriterien gesucht werden.
Facebook hingegen "erkennt" nur Gesichter auf Fotos, die seine User hochladen; diese müssen das bestätigen und bestimmen auch, wer die Bilder sehen kann. Wichtiger noch: Jeder User kann selbst festlegen, ob und wer Bilder sehen darf, auf dem er oder sie getaggt, also identifiziert sind. Bei sorgsamem Umgang würden daher persönlich identifizierte Bilder nicht über einen vorbestimmten Kreis hinaus sichtbar sein. Aber "sorgsamer Umgang" und Facebook scheinen eher ein Widerspruch als eine Ergänzung zu sein.
Aufgenötigt
Das Hauptproblem dabei ist, dass Facebook in üblicher Dampfwalzenmanier zunächst versucht, Gesichtserkennung allen aufzunötigen. Grundeinstellungen sind stets darauf ausgelegt, möglichst viel "zu teilen", nicht möglichst viel privat zu halten - logisch, weil Netzwerke nur dann funktionieren, wenn Menschen etwas von sich preisgeben. Aber das Onlinemedium ist ein gewaltiger Verstärker, auch für unbeabsichtigte Nebenwirkungen. Darum muss Facebook mehr Verantwortung dafür übernehmen, Fehler zu verhindern.
Und Gesichtserkennung? Unwahrscheinlich, dass eine Technologie dieser Art in der Schublade bleibt. Ihre größten Fans sind übrigens seit langem Exekutivbehörden weltweit, nicht nur in Schurkenstaaten. Die EU gibt viel Geld aus für sein Indect-Projekt zur Personenerkennung samt automatischem Datenabgleich mit Polizeicomputern.
Nur wird über solche neuen staatlichen "Features", anders als bei Facebook, gerne geschwiegen und nicht gepostet. (Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe, 7.7.2011)