79 Prozent der Pendler fahren täglich mit dem Auto nach Wien - Stau inklusive

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Wien - Es ist die größte Erhebung des Verkehrsaufkommens rund um Wien der letzten Jahre. Seit April befindet sie sich fix und fertig in diversen Schubladen, die Öffentlichkeit erfuhr bisher aber nichts darüber. Dabei liefert das 126-Seiten-Papier, welches dem STANDARD nun vorliegt, interessante neue Zahlen: Tatsächlich gibt es deutlich mehr Pendler nach Wien als bisher angenommen.

527.600 Personen passieren laut der "Kordonerhebung Wien" an einem Werktag zwischen fünf und 24 Uhr die Stadtgrenze in Richtung Wien. 79 Prozent davon tun dies mit dem Auto oder einem anderen individuellen Verkehrsmittel, 21 Prozent mit Öffis. Die Wiener Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) hatte bisher "nur" von rund 260.000 Pendlern gesprochen.

Seit Mitte der 90er-Jahre hat das Verkehrsaufkommen zwischen sechs und neun Uhr früh - also der Berufsverkehr - um 14 Prozent zugenommen, wobei der Individualverkehr mit 16 Prozent deutlich mehr im Steigen begriffen ist als der öffentliche Verkehr. Einzig aus dem Bereich Klosterneuburg kommt der überwiegende Teil der Job-Pendler (55 Prozent) mit Bus oder Bahn. Besonders drastisch ist das Ungleichgewicht zwischen den Verkehrsmitteln bei jenen, die via Mödling nach Wien kommen. Sie stellen mit gut 200.000 Personen, die zwischen fünf und 24 Uhr die Stadtgrenze queren, auch die mit Abstand größte Gruppe. Nur 16 Prozent benutzen dafür öffentliche Verkehrsmittel.

Koordinationsprobleme 

Herausgegeben wurde die Studie von der Planungsgemeinschaft Ost, also den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland. Warum sie bisher nicht präsentiert wurde, dafür hat man in St. Pölten eine einfache Erklärung: Die Bundesländer müssten sich erst koordinieren, sagte ein Sprecher von Verkehrslandesrat Karl Wilfing (VP) zum STANDARD. Für kommende Woche sei nun eine Pressekonferenz anberaumt. Grundsätzlich müsse den Pendlern der öffentliche Verkehr schmackhafter gemacht werden, kurz- und mittelfristig mittels Viertelstunden-Taktung der S-Bahnen. Langfristig verfolge man den U-Bahn-Ausbau über die Stadtgrenzen hinaus. Besonderen Ausbaubedarf sieht man in Wilfings Büro am nordöstlichen Rand von Wien.

Die U-Bahn-Debatte würde vernünftige Öffi-Maßnahmen nur unnötig hinauszögern, meint hingegen Christian Schrefel, grüner Stadtrat in der Weinviertler Pendlergemeinde Wolkersdorf: "Die Wiener Linien fahren sowieso nicht ober die Stadtgrenze hinaus." Viel realistischer sei eine Lösung wie bei der Badner Bahn, die von den Wiener Lokalbahnen betrieben wird. Schrefel fordert außerdem die Offenlegung der Rohdaten, um die Studie genauer analysieren zu können; diese sei schließlich mit öffentlichen Geldern bezahlt worden. (Andrea Heigl, DER STANDARD Printausgabe, 7.7.2011)