Diese Kicker vertreten Österreich bei der Makkabiade. Den Kader finden Sie hier.

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Der ehemalige Maccabi-Fußballballspieler Rafael Rotter eröffnet die Spiele. Mittlerweile spielt er im österreichischen Eishockey-Team.

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Wien - Wenn Daniel Gallner bei der Eröffnungsfeier zur 13. Europäischen Makkabiade am Mittwochabend über den Wiener Rathausplatz marschiert, hat er bereits ein Fußballspiel in den Beinen. Oder zumindest einen Teil davon. Zuletzt kam der defensive Mittelfeldspieler von Maccabi Österreich nämlich eher von der Bank zum Einsatz. Gegen Auftaktgegner Mexiko brennt Gallner aber auf Spielminuten. Nicht nur weil die Makkabiade für den Amateur-Sportler einen Karriere-Höhepunkt darstellt, auch der fein geschnittene Rasen auf den Nebenplätzen des Ernst-Happel-Stadions hat es dem 29-Jährigen angetan: "In der 3. Klasse A sind wir eher zu kleingeratene Kunstrasenplätze gewöhnt."

So ein feines Terrain hat der Wiener selten erlebt, so blieben ihm auch die Plätze bei der Makkabiade 1999 in bester Erinnerung. Ja, Gallner ist quasi ein Routinier, es ist bereits seine zweite Teilnahme an der jüdischen Sportveranstaltung. In Schottland war er als Teenager Teil der "stärksten Maccabi, in der ich je gespielt habe." Stark genug um in Wien in die 2. Klasse aufzusteigen, nicht stark genug um bei der Makkabiade ernsthaft dagegenzuhalten: gegen Schottland und England setzte es empfindliche Niederlagen, gegen Deutschland endete das Match gar zweistellig.

Englische Übermacht

Für das Turnier in Wien gibt sich Gallner vorsichtig optimistisch: Über den Auftaktgegner Mexiko wisse man zu wenig, über den letzten Gruppengegner England genug, um sich vor einer zweistelligen Niederlage zu fürchten. Dazwischen geht es aber noch gegen die Schweiz und Belgien, hier rechnet man sich Chancen auf Punkte aus. "Die Engländer sind eine Übermacht, sie rekrutieren aus zahlreichen Maccabi-Mannschaften, führen Trainingslager mit internen Ausscheidungskämpfen", weiß Gallner zu berichten. Auch in Deutschland wird um die Teilnahme an den Spielen ordentlich gerangelt.

In Österreich ist ein solches Reservoir an Spielern längst nicht mehr gegeben. 1925 schrieb Hakoah Wien als österreichischer Fußballmeister Sportgeschichte, die Kultusgemeinde Wien zählte damals rund 190.000 Mitglieder. Dann kam die Shoah. Heute umfasst die Gemeinde 7000 Menschen, dementsprechend klein sind die Möglichkeiten, ein schlagkräftiges Team zu formen. Die vorhandenen Kicker erfreuen sich zur Makkabiade aber eines professionellen Umfelds. "Der Trainerstab umfasst drei Leute, wir haben sogar einen eigenen Physiotherapeuten", frohlockt Gallner, der bereits am Dienstag kaserniert wurde. Cheftrainer ist Helmut Maurer, der einst als Torhüter mit Rapid Wien, man mag es kaum glauben, Cup-Sieger wurde. 1974 kam der "Hömerl" sogar zu einem Einsatz in der österreichischen Nationalmannschaft, beim 1:0-Sieg über Ungarn hielt er seinen Kasten sauber. Solch einem erfahrenen Mann hört man zu, auch wenn sich die meisten Spieler dem violetten Wien angehörig fühlen.

Der integrative Charakter

Natürlich liest auch Gallner die Postings auf derStandard.at, viele User zweifeln an der Sinnhaftigkeit jüdischer Sportspiele. Warum überhaupt eine solche Veranstaltung, so deren sinngemäße Frage. "Warum nicht?", stellt Gallner die Gegenfrage, überlegt und dreht den Gedanken weiter: "Warum sollen sich Sportler, die einen gemeinsamen Nenner aufweisen, nicht von Zeit zu Zeit aneinander messen? Was soll daran falsch sein? Wir spielen ja den Rest der Zeit gegen Sportler aller Nationen und Religionen."

Gallner hebt sogleich den integrativen Charakter der Maccabi Wien, die den jüdischen Charakter in ihren Statuten verankert hat, hervor: "Viele Juden, die aus dem Osten nach Wien kamen, haben hier ihren ersten Anknüpfpunkt gefunden." Das Judentum sei für die Spieler ein Teil ihrer Persönlichkeit, nicht nur als Religion, sondern auch als Kultur. Und trotzdem sei die Gruppe in sich heterogen: "Manche sind sehr religiös, andere kennen nur die Feiertage." Für jüdische Burschen sei die Maccabi jedenfalls eine gute und zudem verlässliche Möglichkeit, Fußball zu spielen.

Die Erfahrung der 70er Jahre

Als der Verein in den Siebzigern nach höherem strebte und auch nicht-jüdische Spieler aufnahm, blieben einstige jüdische Stammkräfte gekränkt weg, da sie kaum noch berücksichtigt wurden. Der jüdische Charakter des Vereins ging nach und nach verloren. Ein solcher Verlust der Identität soll sich nicht wiederholen, der Charakter ist nun wichtiger als der sportliche Erfolg. Selten kommt es zu antisemitischen Äußerungen der Gegner. "Kürzlich hat sich ein Spieler nach dem Match für eine Beleidigung entschuldigt, er wäre kein Rassist, hätte sogar eine schwarze Freundin", erzählt Gallner lächelnd. Kopfzerbrechen würden solche Vorfälle nicht auslösen, "die ideale Basis für neue Freundschaften sind sie aber auch nicht."

Am Mittwoch wird ein ehemaliger Maccabi-Spieler unter den Augen des Bundespräsidenten das Feuer entzünden. Rafael Rotter war das vielleicht vielversprechendste Talent des Vereins, ehe er sich auf den Eishockeysport konzentrierte. Mittlerweile ist er Stammspieler der Vienna Capitals und damit der zurzeit erfolgreichste jüdische Athlet Österreichs. Gallner wird das Prozedere beobachten und dabei auf eine Woche hoffen, die auch Vorurteile beseitigen kann: "Im Endeffekt gibt es nur einen Unterschied zu nicht-jüdischen Sportlern: am Samstag spielen wir nicht." (Philip Bauer; derStandard.at; 6, Juli 2011)