Forschungskrimi um ein mysteriöses griechisches Artefakt

Eigentlich dürfte es das über 2000 Jahre alte Ding gar nicht geben. Und obwohl vermutlich Dutzende oder gar Hunderte ähnliche Geräte hergestellt wurden, ist der 1901 vor der griechischen Insel Antikythera gefundene Kalendercomputer der bis jetzt einzige bekannte Apparat der Antike, der verschiedenste Kalendarien und die Bewegungen mehrerer Himmelskörper vorausberechnen konnte.

Die Überreste des mysteriösen Artefakts befinden sich heute im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ausgestellt, wo sie lange Zeit vor sich hin korrodierten. In den vergangenen Jahren freilich haben sich etliche Forscher mit modernsten Analysetechniken über die Fragmente dieses ersten Computer des Welt hergemacht, um ihm auch noch seine letzten Geheimnisse zu entreißen.

Jo Marchant, die als Wissenschaftsjournalistin unter anderem für Nature schreibt, hat mit Die Entschlüsselung des Himmels erstmals die Geschichte dieser analogen Rechenmaschine und seiner Erforschung rekonstruiert und zugleich einen fesselnden Wissenschaftskrimi verfasst, der bis in die jüngste Gegenwart reicht und auch für künftige Forschungen immer noch viele Fragen offen lässt.


Jo Marchant, "Die Entschlüsselung des Himmels. Der erste Computer - Ein 2000 Jahre altes Rätsel wird gelöst", Reinbeck, Rowohlt. 298 S., € 23,30


Bild rechts: Der vor 110 Jahren gefundene "Computer" von Antikythera. Jo Marchant hat die spannende Geschichte seiner Entdeckung und Erforschung aufgeschrieben.

Foto: Reinbeck, Rowohlt

Eine durch und durch beschissene Insel

Die Pazifikinsel ist zwar nicht besonders groß - mit gerade einmal 21 Quadratkilometern ist sie kleiner als der Wiener Bezirk Simmering - doch sie hat eine äußerst bewegte Geschichte und einige Weltrekorde zu bieten: Nauru ist zum Beispiel mit 9000 Einwohnern die kleinste Republik der Erde. Außerdem war das Eiland rund 2000 Kilometer vor der Nordostküste Australiens einmal das reichste Land des Planeten.

Dank reicher Phosphatvorkommen, die wahrscheinlich auf Vogelkot zurückgehen, war Nauru ein äußerst wohlhabender Sozialstaat mit verwöhnten Bewohnern - wovon heute noch der weltweit höchste Anteil von Fettleibigen (78,5 Prozent) zeugt.

Wie die Trauminsel "am Rande der Welt" nicht nur von Vögeln, sondern auch von Raubtierkapitalisten beschissen wurde und in einen wirtschaftlichen Alptraum schlitterte, das rekonstruierte der junge französische Autor und Journalist Luc Folliet in einer großartigen Reportage, die sich auch als lehrreiche Parabel über den globalisierten Kapitalismus und seine Folgen liest.


Luc Folliet, "Nauru - Die verwüstete Insel. Wie der Kapitalismus das reichste Land der Erde zerstörte", Berlin, Wagenbach. 138 S., € 11,20

Foto: Wagenbach

Das goldene Zeitalter arabischer Forschung

Sein Name und seine Biografie sind Programm: Jim Al-Khalili wurde als Sohn eines Irakers und einer Britin in Bagdad geboren, übersiedelte mit 17 nach England und ist heute Professor für theoretische Physik an der Uni von Surrey. Zudem tritt er in TV und Radio auf und erhielt für seine Physik-Popularisierungen dieser tage die Kelvin-Medaille.

Als ob das nicht schon reichen würde, ist der Sohn einer Britin und eines Irakers nebenbei auch noch Wissenschaftshistoriker, der sich insbesondere mit vielfach unterschätzten Bedeutung arabischer Wissenschaft befasst. Oder hätten Sie gewusst, dass vom 8. bis zum 15. Jahrhundert Arabisch die Lingua franca der Gelehrten war?

Und so wie heute Harvard oder Cambridge (USA und GB) als Weltzentren der Wissenschaft gelten, war das vor 1000 Jahren das "Haus der Weisheit", das der Kalif von Bagdad ebenda gegründet hat. Al-Khalili hat nun eine gleich verlässliche wie fesselnde Geschichte über diese Blütezeit der arabischen Wissenschaft geschrieben, ohne die unsere heutige Forschung anders aussähe.


Jim Al-Khalili, "Im Haus der Weisheit. Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur", Frankfurt am Main, S. Fischer. 443 S., € 23,40

Foto: S. Fischer

Kooperation als evolutionäres Prinzip

Unter Darwins Werken fehlt ein Band, der sich mit der 'gegenseitigen Hilfe' als einem biologischen Grundprinzip auseinandersetzte", schrieb der deutsche Naturforscher Wilhelm Bölsche vor über 100 Jahren. Diese Lücke hat nun an Stelle Darwins der aus Österreich stammende Harvard-Professor Martin Nowak geschlossen - auf seine Weise und mit seinen Methoden.

Nowak ist renommierter Biomathematiker. Entsprechend stützt er seine Beweise für die evolutionäre Bedeutung der Kooperation auf spieltheoretische Modelle - von der Krebsentstehung bis zur Sprache. Dank der "sprachlichen Kooperation" mit New Scientist-Herausgeber Roger Highfield ist dieser Anti-Dawkins-Band kurzweilig und ironisch geraten.

Dass dabei auch ausführlich von Kollegen die Rede ist, soll vermutlich die Idee der Zusammenarbeit auch in der Wissenschaft exemplifizieren. Dass Nowak der Kooperation mit seinem wegen Pädophilie verurteiltem Gönner Jeffrey Epstein gleich mehrere Seiten einräumt, dient der Sache indes eher wenig.


Martin A. Nowak mit Roger Highfield, "SuperCooperators. Altruism, Evolution, and Why We Need Each Other to Succeed", New York, Free Press. 330 S., € 17,30

Foto: Free Press

Neurobiogisches Lob der Begeisterung

Was in den letzten zwei, drei Jahrzehnten die Gene waren, das scheint seit einigen Jahren das Gehirn zu sein: Dank der Fortschritte der Neurowissenschaften fließen immer mehr Mittel in die Hirnforschung, und als populärwissenschaftliche Begleitmusik gibt es jede Menge an Büchern über das menschliche Gehirn und seine Funktionsweise.

Der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther ist beides: sowohl anerkannter Forscher wie auch erfolgreicher Vermittler. Sein jüngste Bestseller will ein "neurobiologischer Mutmacher" sein und singt ein Loblied auf die Plastizität des Gehirns und insbesondere: auf die Begeisterung, die für seine Entfaltung und das Ausschöpfen seines Potenzial eine entscheidende Rolle spielen.

Hüther analysiert - völlig fußnotenfrei - die neurobiologischen aber auch die gesellschaftlichen Bedingungen (Leistungsdruck, Stress), warum vielen von uns diese Begeisterungsfähigkeit abhandenkam, warum das zu Depressionen und Demenz führt - und was wir dagegen tun könnten.


Gerald Hüther, "Was wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher ", Frankfurt am Main, S. Fischer. 189 S., € 19,40

Foto: S. Fischer

Besserwissereien in feinen Häppchen

Die einfache Formel hat sich als oft kopiertes Sachbucherfolgsrezept erwiesen: Menschen wie Sie und ich stellen mehr oder weniger triviale Fragen, und Experten liefern die Antworten. Also zum Beispiel darauf, warum sich im Bauchnabel Flusen sammeln oder warum Mädchen bevorzugt rosa tragen.

Eine der gelungeneren Variationen dieses Frage-und-Antwort-Spiels ist Endlich Mitwisser! des deutschen Journalisten Michael Dietz und Holger Wormer, Professor für Wissenschaftsjournalismus an der Uni Dortmund. Ihre 101 "allerbesten" Fragen sind gut ausgesucht und werden leichtfüßig und gar nicht obergescheit beantwortet, also zum Beispiel die Frage nach dem Rosa. Das Mädchen darauf stehen, ist ein recht junges Phänomen. Auf alten Gemälden jedenfalls tragen nämlich noch die kleinen Prinzen pink.

Als Extra gibt es in dem flott gestalteten Band auch einige Praxis- und Recherchetipps. Und weil das Ganze auf Radiosendungen zurückgeht, gibt es die sympathischen Besserwissereien auch als Hörbuch auf CD. (DER STANDARD, Printausgabe, 06.07.2011)


Holger Wormer und Michael Dietz: "Endlich Mitwisser! Die allerbesten Fragen - beantwortet von Professor Holger", Köln, Kiwi. 316 S., € 9,10

Foto: Kiwi