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Gerald Matt bezeichnet die Vorwürfe als haltlos.

Foto: AP/Punz

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Gerald Matt, seit 1996 als Kunsthallen-Direktor im Amt, zeigt noch keine Ermüdungserscheinungen und kann sich auch eine Vertragsverlängerung vorstellen: "Die entscheidende Frage ist doch: Macht jemand seinen Job schlecht oder gut? Wenn er ihn schlecht macht, ist alles zu lang. Macht er ihn gut, ist er Kapital für das Haus."

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Standard: Sie haben gerade eine erfolgreiche Dalí- und Beirut-Ausstellung eröffnet. Wie geht's Ihnen?

Matt: Wenn es der Kunsthalle gut geht, geht es mir auch gut.

Standard: Sprechen wir über Vorwürfe, die gegen Sie geäußert wurden. Wo sehen Sie einen Unterschied zwischen Uwe Scheuch, der einem Russen als Gegenleistung für Investitionen in Kärnten und Parteispenden die Staatsbürgerschaft angeboten haben soll, und Ihren Bemühungen, für Sponsoren eine Staatsbürgerschaft zu erwirken?

Matt: Der Unterschied ist klar: Bei mir - und anderen Kollegen aus dem Kunstbereich, die das Gleiche versucht haben - handelt es sich nicht um Politiker. Die können entscheiden. Wir haben lediglich bei zuständigen Politikern angefragt, ob das Angebot internationaler Investoren, Mittel für Kunst zur Verfügung zu stellen, die Verleihung der Staatsbürgerschaft im öffentlichen Interesse rechtfertigt. Prof. Lewisch vom Wiener Institut für Strafrecht stellt fest, dass hier nicht einmal der Ansatz einer strafbaren Handlung gegeben ist

Standard: Aber sowohl bei der FPÖ bzw. damals BZÖ als auch im Fall der Kunsthalle wäre Geld geflossen.

Matt: Bei uns geht es um Verdienste: um die Unterstützung ausschließlich von Kunst und Künstlern, anderswo, wie man hört, um Parteienprovisionen. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Außerdem verleiht der Ministerrat ständig Staatsbürgerschaften, an Sportler, Künstler und Investoren.

Standard: Hat es nicht einen üblen Beigeschmack, wenn man sich Staatsbürgerschaften kaufen kann, so man die richtigen Leute kennt?

Matt: Wenn man nicht will, dass Staatsbürgerschaften im freien Ermessen und öffentlichen Interesse durch die Bundesregierung vergeben werden, muss man das Gesetz ändern.

Standard: Zuletzt gab es Wirbel wegen Datenweitergabe an Dritte ...

Matt: ... Falsch! Nicht Datenweitergabe, sondern Datendiebstahl. Es wurde in unsere Computer eingedrungen, um geldwertes Know-how und, das finde ich besonders schändlich, private Daten von Mitarbeitern zu entwenden, die dann offenkundig von dem Grün-Mandatar Zinggl angenommen wurden. Wer von solchen Machenschaften profitiert, hat für mich jede Glaubwürdigkeit verloren, insbesondere, wenn dessen Partei Datenschutz und Persönlichkeitsrechte auf ihre Fahne schreibt.

Standard: Wolfgang Zinggl hat angekündigt, Sie zu klagen, wenn Sie behaupten, er habe gestohlenes Datenmaterial angenommen.

Matt: Die Angelegenheit ist ohnedies angezeigt und wird von der Staatsanwaltschaft verfolgt.

Standard: Ihr Mitarbeiter Thomas Mießgang, der in diesem Zusammenhang entlassen wurde, beklagt das schlechte Betriebsklima in der Kunsthalle. Wie viele Mitarbeiter mussten tatsächlich gehen?

Matt: Er war der einzige, der - übrigens aus schwerwiegenden Gründen - entlassen wurde. Das Kontrollamt hat in seiner letzten Prüfung festgehalten, dass wir eine hohe Mitarbeiterkontinuität haben. Von 34 Mitarbeitern sind 22 bereits mehr als fünf Jahre und 15 mehr als acht Jahre im Betrieb. Richtig ist, dass die Kunsthalle sich als Karriereschmiede erwiesen hat. Sabine Folie etwa wurde Leiterin der Generali Foundation, ein anderer ehemaliger Mitarbeiter leitet die Sammlung Flick in Deutschland. Dass Mießgang hier einen anderen Weg wählte, ist schade.

Standard: Sie und Mießgang waren Freunde. Tut Ihnen diese Entwicklung leid?

Matt: Wir kennen uns seit der Schule. Als er Jobprobleme hatte, haben wir ihm im Haus eine Chance gegeben. Seine Qualifikationen lagen im Populärkulturbereich und im Schreiben. Probleme, auch mit der kuratorischen Kollegenschaft, gab es schon lange. Er hat sich in den letzten Jahren intensiv an anderen Häusern beworben. So haben wir uns gemeinsam auf eine Halbtagsstelle geeinigt. Ich bin aber nicht gewillt, öffentlich Schmutzwäsche zu waschen.

Standard: Er sagt, einer der Gründe für Ihre Entfremdung sei sein Versuch gewesen, einen Betriebsrat zu gründen. Gibt es schon einen?

Matt: Wenn die Belegschaft einen Betriebsrat gründet, haben wir in der Unternehmensleitung dagegen nichts einzuwenden. Es gab einen Versuch Mießgangs, um sich selbst abzusichern. Diesen Braten haben die Mitarbeiter offenkundig gerochen.

Standard: Ein anderer Vorwurf lautet, er hätte alle Texte geschrieben, die unter Ihrem Namen veröffentlicht wurden. Ein weiterer, Sie hätten für Ihre Ausstellungen nicht viel bis gar nichts getan.

Matt: Quatsch! Das ist unwahr und ärgert mich natürlich sehr. Aber jede Trennung, auch eine berufliche, tut weh, da darf man nicht jede Aussage auf die Goldwaage legen. Dass er als ehemaliger Journalist angestellt war, um Pressetexte zu schreiben, Textmaterialien vor- und aufzubereiten, ist klar. Wissen Sie, da ist viel Neid im Spiel; je mehr man macht - und viele der Ausstellungen sind ja sehr erfolgreich -, umso mehr wird man kritisiert. Wie mein Großvater sagte: "Viel Feind, viel Ehr."

Standard: Zurück zu den Gutachten, mit denen Sie, wie es heißt, eine Ihnen nahestehende Kanzlei betraut haben. Klingt nach Gefälligkeitsgutachten.

Matt: Das ist falsch. Selbstverständlich habe nicht ich beauftragt, sondern der Vorstand. Und zwar die renommierte und unabhängige Wirtschaftsprüfungskanzlei IB Hübner, die erfahren ist im Prüfen des öffentlichen Bereiches. Es war, wie ich Ihnen garantieren kann, eine Prüfung auf Herz und Nieren. Das Ergebnis: Die Vorwürfe sind haltlos, die Kunsthalle und ich haben stets korrekt gearbeitet. Im Übrigen wurden wir in den letzten Jahren mehrfach geprüft vom Rechnungshof und Kontrollamt, das die Kunsthalle im letzten Bericht als modernen Kunst- und Kulturmanagementbetrieb bezeichnete. Es ist doch blanker Wahnsinn, wenn das kulturelle Klima nur mehr aus Verdächtigungen, Anschuldigungen und Intrigen besteht!

Standard: Was soll Kulturpolitik?

Matt: Sie hat mit Visionen zu tun, dem Kampf um Ressourcen, mit Herzblut für Kunst und Künstler. Jedenfalls kann sie nicht nur aus Denunziantentum und Blockwartgesinnung bestehen.

Standard: Zu überprüfen, wie mit öffentlichen Geldern umgegangen wird, gehört auch dazu?

Matt: Selbstverständlich. Vielleicht müsste man sich aber überlegen, ob es nicht auch Steuergeldverschwendung ist, wenn hohe Kosten durch haltlose Anschuldigungen entstehen und Unterstellungen, die sich als unrichtig herausgestellt haben. Ich bin absolut zuversichtlich, dass uns der nächste Kontrollamtsprüfung gute Arbeit bestätigen wird.

Standard: Verstehen Sie die Kritik an der Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Parlament bzw. der Parlamentspräsidentin?

Matt: Nein! Auch das wurde geprüft und für korrekt befunden. Es ist doch ein Verdienst des Parlaments und der Kunsthalle, dass sie eine Publikation zur Kunst der 60er-Jahre ermöglichen.

Standard: Das betrifft nicht gerade die Kernkompetenz der Kunsthalle. Wenn schon, würde man es im Mumok oder Belvedere verorten.

Matt: Es ist doch völlig absurd, dem Parlament oder der Kunsthalle Vorwürfe zu machen, wenn sie einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Kunstgeschichte leisten. Bisher hat sich diese Arbeit niemand anderer angetan. Bedauerlich ist, dass das Buch nicht inhaltlich diskutiert wird. Großartige Zeitzeugen sprechen, aber das interessiert politische Heckenschützen nicht.

Standard: Für kuratorische Tätigkeiten im Parlament haben Sie 15.000 Euro bekommen.

Matt: Ja, für zwei Jahre - so wie Peter Pakesch vor und Stella Rollig nach mir - für Konzeption und Leitung der Durchführung von Kunstaktionen. Beim Buch ist das gesamte Geld in die Produktion geflossen, dafür habe ich persönlich nichts bekommen.

Standard: Dürfen Sie eigentlich alles tun neben Ihrem Direktorenjob?

Matt: Eben nicht. Im Unterschied zu anderen Häusern, wo es keine Regelungen gibt, wurde eine klare, saubere Lösung getroffen. In meinem Vertrag sind Nebenbeschäftigungen zeitlich geregelt und inhaltlich auf publizistische, kuratorische und wissenschaftliche Tätigkeiten, die den Interessen der Kunsthalle Wien förderlich sind, limitiert. Ich finde es übrigens besonders scheinheilig und pharisäisch, wenn der Abgeordnete Zinggl mir all das vorwirft und gleichzeitig als Kuratoriumsvorsitzender des Mumok offenbar jedwede Nebentätigkeit seiner Direktoren duldet. Ich frage mich, ob es nicht inkompatibel ist, wenn ein Abgeordneter einem der Museen, die er kontrollieren muss, als Kuratoriumsvorsitzender vorsteht.

Standard: Halten Sie Jurytätigkeiten für eine Bank als kompatibel?

Matt: Nationale und internationale Jurytätigkeiten sind im Kunstbetrieb üblich und dienen der Vernetzung. Wenn man das nicht will, müsste man für Museen und Kunstinstitutionen unseres Landes einen Corporate-Governance-Kodex entwickeln. Ich würde das begrüßen.

Standard: Sie machen viele Dienstreisen, sind angeblich bis zu hundert Tagen unterwegs. Bleibt da genug Zeit für die Arbeit in Wien?

Matt: Die Kunsthalle ist kein Heimatmuseum, sondern ein Haus für internationale zeitgenössische Kunst. Wir leisten Pionierarbeit, indem wir Künstler und Kunst von Indien bis Mexiko zeigen. Wir sind Scouts, die Positionen entdecken und hierher bringen. Das kann man nur hinterm Schreibtisch nicht leisten. Bei wichtigen Leihgebern und Künstlern muss der Direktor selbst antreten. Wir haben keine Sammlung, können daher keine Kunst als Gegenleistung anbieten. Wir haben nur unsere Reputation und Überzeugungskraft.

Standard: Wie gut ist der Ruf?

Matt: Die New York Times hat geschrieben, wir seien ein Mekka für moderne Kunst, Die Zeit, die Kunsthalle sei jenes Haus, das die zeitgenössische Kunst in Wien populär gemacht hat. Und die italienische Arte hat uns, neben Centre Pompidou und Tate, zu den fünf führenden Häusern Europas gezählt. Das ist hart erarbeitet.

Standard: Wie steht die Kunsthalle wirtschaftlich da?

Matt: Wir hatten in den letzten Jahren nie einen Budgetüberzug, die Stadt Wien musste nie nachfinanzieren. Unser Eigendeckungsgrad ist zwischen 20 und 30 Prozent - für ein zeitgenössisches Haus hervorragend. Aber wir müssen von einer reinen Quantitätsdiskussion wegkommen. Zeitgenössisches wird, wenn es nur um Besucherzahlen geht, immer verlieren. Man muss die Qualitäten sehen: Unsere Ausstellungen werden international rezipiert und nachgefragt. Wir sind kein Durchlauferhitzer für Wanderprojekte. Hier entstehen Know-how und Ideen, die wir gemeinsam erarbeiten.

Standard: Wenn Ihr Vertrag 2014 ausläuft, waren Sie 18 Jahre am Haus. Ist das nicht zu lang?

Matt: Die entscheidende Frage ist doch: Macht jemand seinen Job schlecht oder gut? Wenn er ihn schlecht macht, ist alles zu lang. Macht er ihn gut, ist er Kapital für das Haus.

Standard: Wollen Sie verlängern?

Matt: Das werden die verantwortlichen Entscheidungsträger und ich zur rechten Zeit entscheiden. Ich glaube, hier wird ein Stellvertreterkrieg geführt: Freiheit der Kunst versus Politisierung; das Außergewöhnliche und Individuelle versus basisdemokratische Vorstellungen und sozialpolitische Auflagen; Pluralismus versus besserwisserische Kunstbegriffe. Enttäuschend, dass dieser Kampf von einem Grünen geführt wird.

Standard: Grüßen Sie Wolfgang Zinggl, wenn Sie ihn treffen?

Matt: Es gibt so viele liebe und anständige Menschen, die ich gerne sehe und gern grüße. Damit habe ich genug zu tun. (Andrea Schurian/DER STANDARD, Printausgabe, 6. 7. 2011)