Fragile Stimme: Sängerin Madeleine Peyroux.

Foto: Kneidinger

Wien - Bislang besetzte Madeleine Peyroux im Kosmos der kommerziell glückhaften Sängerinnen mit Hang zur Jazznostalgie die Rolle der schüchtern-charmanten Fee, die sich bei Konzerten gerne an ihrer Klampfe festkrallt und vokal frappant an die verblichene Tragödin Billie Holiday erinnert. Unvergesslich - ob seiner Langeweile - Peyroux' Jazzfest-Auftritt vor ein paar Jahren.

Nun jedoch ist bei der US-Dame von einem Fortschritt in Form eines gewissen Auftauens, den Bühnenauftritt betreffend, zu berichten. Wobei: Das punktuelle Weglegen des Instrumentes, das Spiel mit einem langen Schal wie auch die Erzählungen zwischen den Songs haben natürlich noch immer wenig mit einer exaltierten Bühnenshow gemein. Alles wirkt jedoch stimmig, lebendig. Was die stimmlichen Versuche anbelangt, das Holiday-Flair abzustreifen, ist hingegen noch Markanteres zu berichten. Die neckisch-melancholischen Glissandi, die Peyroux bisher so diszipliniert wie millimeternah an Vorbild Holiday platzierte, sind einer für Peyroux' Verhältnis fast überbordenden Ausweitung des Ausdrucks gewichen. Auch stilistisch ist alles mittlerweile (weg vom Swing) im sanften Folkrockbereich gelandet.

Allerdings scheint sich die Dame zurzeit in einer Art Niemandsland der vokalen Selbstsuche aufzuhalten, also quasi auf halbem Wege zu einem ausgereiften, neuen Stil zu sein, der sie möglicherweise in die Nähe von Joni Mitchell führen wird. Vorläufig jedoch klingt das wie ein Mix aus diskreten, sanften Momenten und als bewusster Ausdruck getarnter Unsicherheit.

Konkret: Die Noten werden großzügiger verschliffen als früher, dann wieder exzessiv, fast herzhaft herausgehaucht, was in der Höhe mitunter ein bisschen viel Pathos ergibt und in der Tiefe zuweilen etwas Grobes. Dazu gesellen sich zahllose schleißig intonierte, also unsicher angesteuerte Töne. Selbst das hat natürlich einen gewissen Charme; Peyoux' Timbre ist ein atmosphärischer Rettungsanker, wie auch die oft raffinierten Songs, die Peyroux auch von ihrer CD Standing On The Rooftop bezieht, auf der das Material gesanglich dann auch viel ausgewogener klingt.

Vielleicht hatte sie nur einen schlechten Tag. Vielleicht hat sie sich selbst auf der Bühne nicht gut genug gehört. Man wird es erleben. Wiederholungskonzerte sind ja die Spezialität des Jazzfest-Konzeptes. In diesem Fall würde ein Dacapo indes sogar einigen Sinn machen. (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Printausgabe, 6. 7. 2011)