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Trip zum Skalpell: Einige Österreicher pilgern in das Ausland, um sich dort günstig Po, Brust und Nase zurechtrücken zu lassen. Mögliche Komplikationen werden dabei ausgeblendet.

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Auch unter einigen jungen Menschen in Serbien sind Schönheits-OPs beliebt. Kredite für Eingriffe sind einfach zu bekommen.

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Ceca, eine prominente Vertreterin des Turbofolk, im Mai diesen Jahres vor Gericht. Sie ist für manche junge Menschen ein Idol - auch Äußerlich.

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Tourismus in Kombination mit Schönheitsoperationen boomt. Immer mehr Österreicher pilgern etwa nach Serbien, Rumänien, Bulgarien oder Thailand, um sich viel billiger als in Österreich neue Brüste, Nasen und glatte Haut abzuholen. Nach zwei Wochen Urlaub kommt man frisch erholt zurück und sieht irgendwie anders aus, im besten Fall besser. Aber die Geiz-ist-Geil-Aktion kann zur Katastrophe werden: Ärzte und Konsumentenschützer warnen vor uneinheitlichen Ausbildungsstandards, mangelnder Hygiene, schweren Komplikationen und horrenden Kosten für "Schadensbehebungen".

Die Kontaktaufnahme, um eine Skalpell-Reise zu organisieren, gestaltet sich nicht sonderlich schwierig. Eine Internet-Agentur, die sich nach kurzer Online-Suche finden lässt, vermittelt zum Beispiel zu serbischen Ärzten. Nach einer E-Mailanfrage für eine Brustvergrößerung landet schon nach 15 Minuten eine Antwort in der Mailbox: "Der einfachste Weg ist, Sie senden uns Fotos Ihrer Brüste und einer unserer Ärzte berät Sie gerne telefonisch und erklärt Ihnen alle Details. Da wir mit mehreren Kliniken arbeiten, werden wir Ihnen morgen den besten Preis senden. Sie können schon nach drei Tagen nach Hause fliegen. Wir organisieren Ihnen gerne Flug oder Zug und Hotel, sagen Sie uns nur bitte wann." Auf der Homepage gibt es eine detaillierte Preisliste: Silikonlippen kann man sich um 200 Euro kaufen, Botox-Behandlungen kosten ab 250 Euro, das neue Näschen gibt es ab 1000 Euro. Die Liste der möglichen Eingriffe ist lang, der Leser kann dabei noch etwas lernen, zum Beispiel über eine Barttransplantation ab 500 Euro.

All-Inklusive-Trip zum Skalpell

Eine berühmte Klinik für plastische Chirurgie in Serbien befindet sich zu Fuß zehn Minuten von der Hram svetog Save (Kathedrale des heiligen Sava), der größten serbisch-orthodoxen Kirche Belgrads, entfernt. Die Brüder Miograd und Milan Colic betreiben hier ihre Praxis. Ein dezentes Messingschild weist den Weg: Der Eingang befindet sich auf der Rückseite des Hauses. Da auch viele serbische Celebrities hier ein- und ausgehen, verzichten die meisten Patienten wohl lieber darauf, beim Betreten des Gebäudes gesehen zu werden.

Die Klinik, in der zu Stoßzeiten bis zu sechs Chirurgen arbeiten, ist in Weiß- und Cremetönen gehalten, auf Regalen stehen kleine Statuen von nackten Körpern, perfekt geformt, hart und glatt wie Stein. Im Aufenthaltsraum im ersten Stock warten bereits zwei Damen auf ihren Termin mit Doktor Milan Colic. Diskretion ist erwünscht, das signalisiert auch die resolut geschminkte Sprechstundenhilfe und unterbricht mit einem "Psscht!" die Gespräche. Aus den Lautsprechern dudelt "Everything I do, I do it for you" von Brian Adams in Streicherversion. So bleiben nur Mutmaßungen über die Veränderungswünsche der Anwesenden, die Wartenden mustern sich verhalten aus den Augenwinkeln.

Dann empfängt der Arzt in seinem Sprechzimmer. Die Wände sind mit Auszeichnungen und Ausbildungsbescheinigungen gepflastert. Die Brüder haben sich bereits international einen Ruf erworben – nicht zuletzt wegen ihrer regelmäßigen Auftritte im Fernsehen. Für serbische Verhältnisse ist ihre Arbeit daher relativ teuer: 3000 Euro kosten zum Beispiel Silikonbrüste, informiert Milan Colic. Inkludiert sind dabei die Anästhesie, Abholen vom Flughafen und eine Nacht in der Klinik. In Österreich kosten Silikonbrüste bei seriösen Chirurgen ab 5.500 Euro aufwärts. "Bei uns gibt es eine lebenslange Garantie für Implantate", räumt Colic Zweifel an der Qualität seiner verwendeten Materialien aus. Die Früchte seiner Arbeit sind zum Beispiel Abends auf der Strahinjica-Bana in der Altstadt Belgrads zu sehen, böse Zungen nenne sie "Silicon Valley".

Denn nicht nur Touristen zieht das Angebot an, auch unter Belgrads jungen Menschen werden Schönheitsoperationen immer beliebter: In den Kliniken in Belgrad sind Medienberichten zufolge bereits zwei Drittel aller Patientinnen unter 26 Jahren. Wünschten sich junge Serbinnen früher einen Führerschein zur Volljährigkeit, wurde dieser mittlerweile vom Wunsch nach einer Schönheitsoperation als beliebtestes Geschenk abgelöst.

Schönheitsideal und Statussymbol

Wenn die Sonne in der 1,6 Millionen-Einwohner-Stadt untergeht, beginnt vor allem in den heißen Sommermonaten das Leben an der Donau und der Save zu pulsieren. "Splavovi", Boote, die als schwimmende Clubs fungieren, sind ein beliebter Treffpunkt von Nachtschwärmern. Die Musikstile und das Publikum sind in jedem Schiff unterschiedlich: Von einem alternativen Live-Konzert bis zu wummernder Technomusik ist für jeden Geschmack etwas dabei. Sehr beliebt ist hier der Turbofolk, eine Mischung aus Techno, serbischer Popmusik und Folkmusik. Die Lautstärke befindet sich üblicherweise knapp vor dem Trommelfellriss.

Svetlana "Ceca" Ražnatović und Jelena Karleuša sind prominente und umstrittene Vertreterinnen dieser Musikrichtung und Vorbilder einiger junger Menschen in Serbien. Laut einer Umfrage, die Ende 2010 vom "Fund for an Open Society-Serbia" durchgeführt wurde und in der Online-Zeitung "vesti online" veröffentlicht wurde, ist Ceca, die Witwe des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Zeljko "Arkan" Raznatovic, das größte Idol der 1500 Befragten zwischen 15 und 29 Jahren. Im Moment verbüßt sie wegen Unterschlagung einen einjährigen Hausarrest. Die chirurgischen Veränderungen sind vielen Protagonistinnen des Turbo Folk an den Lippen oder am Dekolleté abzulesen. "Das Schönheitsideal in Serbien tendiert zu größeren Lippen und runderen Brüsten, als das vielleicht weiter im Norden Europas üblich ist. Dafür werden Po-Vergrößerungen von serbischen Frauen kaum gefragt", berichtet Colic über geografisch gewichtete Vorlieben.

Jelena und Olga feiern an dem schwülen Donnerstagabend ausgelassen auf einem Splavovi hinter dem Hotel Jugoslavija, einem der ältesten Luxushotels im Stadtteil Novi Beograd. Die jungen Frauen können sich beide vorstellen, sich bald für die Schönheit unter das Messer zu legen. Es gilt einen kleinen Nasenhöcker zu beseitigen und eine Brust von B auf D zu "tunen", wie es Olga ausdrückt. "Wir könnten uns das nur leisten, weil es seit ein paar Jahren viel einfacher ist, von den Banken Kredite für solche Operationen zu bekommen. Daher muss man den Betrag nicht mehr auf einmal hinlegen", sagt die Verkäuferin Olga in perfektem Englisch. Das Durchschnittseinkommen in Serbien beträgt rund 350 Euro pro Monat. Die Bereitschaft, eine verhältnismäßig hohe Summe für einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff hinzublättern, ist nicht ungewöhnlich. Oder wie Miodrag Colic es ausdrückt: "Silikon hat von der Krise noch nicht gehört."

Schadensbegrenzung

Naglergasse, erster Wiener Gemeindebezirk. Die renommierte Schönheitschirurgin Dagmar Millesi klickt durch Bilder im Ordner "Brust-OPs". Zu sehen sind Verhärtungen, Entzündungen, schiefe Brustwarzen und verrutschte Implantate. Millesi kommentiert: "Das sind alles Fälle aus dem Ausland. 13 Prozent meiner Operationen sind Nachkorrekturen, neun Prozent sind Fälle, die außerhalb von Österreich operiert wurden." In einem anderen Ordner finden sich Bilder von Menschen, die nach einem misslungenen Facelift ihre Augen nicht mehr schließen können oder große Narben im Gesicht haben. Zu den Schmerzen und der Scham kommen hohe Kosten, wenn so ein Kunstfehler korrigiert werden muss.

Millesi, die im Laufe ihrer Karriere bereits 1400 Face-Liftings durchgeführt hat, zeigt ein besonders dramatisches Beispiel: Eine Dame hat sich in Tschechien liften lassen, die Nachuntersuchung hätte bei einem Hals/Nasen/Ohrenarzt in der Josefstadt erfolgen sollen. Der war jedoch auf Urlaub. Die Patientin landete schließlich mit starken Schmerzen in der Ordination in der Naglergasse. Hinter den Ohren begannen sich bereits schwarze Flecken einer Nekrose auszubreiten, eine Gesichtslähmung durch einen beschädigten Nerv verzog das gesamte Gesicht und ließ die Lippe schief herunterhängen.

"Ich rief den behandelnden Arzt an, der sich zunächst bereit erklärte, die Kosten zu tragen", schildert die Fachärztin weiter. Der Zustand der Frau verschlechterte sich jedoch zunehmend, schließlich starben große Teile der Haut am Hals ab, eine Transplantation wurde notwendig. "Es war meiner Meinung nach klar ein Behandlungsfehler. Aber man kann in Österreich nicht klagen, das geht nur, wenn der Arzt in Österreich Werbung macht. Der Fall ist also in Tschechien verhandelt worden. Zwei Gutachter haben den Chirurgen entlastet – durch nicht objektive Gutachten", kritisiert Millesi. Die Patientin ist mittlerweile auf dem Weg der Besserung, sitzt aber auf den Kosten von insgesamt 80.000 Euro. "Meine Erfahrung ist, dass in solchen Fällen gegen österreichische Patienten zusammen gehalten wird", warnt die erfahrene Chirurgin vor billigem Schönheitsoperations-Tourismus. Die niedrigen Kosten ließen Patienten leider oft vergessen, welche Komplikationen auftreten können.

"Hände weg"

Schon in Österreich gebe es sehr unterschiedliche Standards, berichtet Bärbel Klepp, die für die Bereiche Gesundheit und Medizin im Verein für Konsumenteninformation (vki) zuständig ist: Jeder praktische Arzt, der es sich zutraut, könne sich selbst als Schönheitschirurg bezeichnen. Viele Hautärzte würden Botox spritzen oder Venen operieren. "Ich bezweifle nicht, dass das viele gut können, aber wo ist die Grenze?", fragt Klepp. Facharzt für plastische Chirurgie dürfen sich hingegen nur Ärzte nennen, die eine langjährige, spezifische, chirurgische Ausbildung absolviert haben. "Es ist noch viel schwieriger festzustellen, wie die Ausbildung im Ausland geregelt ist", sagt die Expertin.

Auch die Operationsstandards sind andere. "Oft wird bei billigen Eingriffen im Ausland in einem Kammerl der Ordination operiert und nicht im Spital. Es kostet nun mal Geld, die Gebühren für die Anmietung eines OPs zu bezahlen. Denn der Patient trägt von der Krankenschwester bis zur Reinigungskraft alle Kosten. Dafür bekommt man im Gegenzug eine Garantie für strenge Standards bezüglich Hygiene und Sicherheit", sagt die vki-Mitarbeiterin.

Regressansprüche im Ausland sind sehr schwierig durchzusetzen, bestätigt Bärbel Klepp die Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag von Dagmar Millesi. "Der vki sagt ganz klar: Hände weg! Denn es gibt zu uneinheitliche Standards zu Ausbildung und Hygiene im Ausland", warnt Klepp.

Billige Brustimplantate um 85 Euro

"Bei mir sind schon Patientinnen aufgetaucht, die Schäden von Operationen hatten, wo man sich nur wundern kann", berichtet Wolfgang Metka. Der Facharzt für plastische Chirurgie hat seine Ordinationen in Linz und im ersten Wiener Gemeindebezirk und blickt auf fast 30 Jahre Berufserfahrung zurück. Der Chirurg warnt, dass Kosten zunächst niedriger scheinen können: "Ich war beruflich in der Slowakei eingeladen und da ist es mir zum Beispiel untergekommen, dass zwischen einer 'guten und schlechten Anästhesie' unterschieden wurde. Das bedeutet, dass man extra unter der Hand für eine gute Versorgung draufzahlt", erzählt Metka.

Er warnt zudem vor einer schlechten Nachbehandlung: "Es kann sein, dass bei Komplikationen nur geringe Maßnahmen notwendig sind. Wenn man jedoch vom behandelnden Arzt schon wieder weit weg ist, kann aus einem kleinen Übel schnell ein großes Übel werden." Metka ist auch als Gutachter zuständig und warnt vor "Geiz ist geil" im Gesundheitsbereich: "Für eine Blinddarm-Operation fahrt man ja auch nicht nach Kiew."

Billigchirurgie sei jedoch kein Phänomen im Ausland, sondern habe auch schon in Österreich Einzug gehalten, berichtet Metka: "Bei einer medizinischen Dienstleistung kann man an allen Enden etwas wegknabbern. Es ist nun einmal so, dass gute Implantate 750 Euro kosten, es sind aber auch No-Name-Produkte um 85 Euro am Markt erhältlich." Bei niedrigen Preisen müsse eben irgendwo gespart werden – entsprechend sei auch die Qualität, sagt Metka. "Gute Mittel sind ihr Geld Wert. Man kann sich ja vorstellen, was das für ein Material ist, wenn für eine Lippenaufpolsterung nur 200 Euro zu bezahlen sind. Bei dem hochwertigen Restylan kostet zum Beispiel schon das Material 250 Euro", bekräftigt auch Dagmar Millesi.

Verallgemeinerungen lehnen jedoch sowohl Metka, als auch Millesi ab: So gebe es zum Beispiel in Serbien hervorragende Kollegen, die jedoch ihre Dienste nicht zu Dumping-Preise anbieten. Das sei wie beim Essen, sagt Wolfgang Metka: "Um den Preis für Gammelfleisch bekommt man eben kein hochwertiges Steak." (Julia Schilly, derStandard.at, 6. Juli 2011)