Das mit dem Datenschutz ist in Österreich so eine Sache. Von Behörden wird er stets hoch gehalten, was gut ist – wenn begründet. Sammelt die Behörde selbst Daten, wie unter anderem per Vorratsdatenspeicherung vorgesehen, gelten plötzlich wieder andere Regeln.

Wer sich in Österreich aber um den Datenschutz und diese aktuelle Entwicklung sorgt, hat zumindest eine zentrale Anlaufstelle: die Datenschutzkommission. Sie ist für die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen zuständig, und zählt laut ihrer Webseite zu den „ältesten Datenschutzbehörden Europas (seit 1980).“ Der Datenschutz generell wurde mit der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG der EU in ganz Europa auf eine neue Grundlage gestellt, heißt es dort.

Nun ist die Europäische Union aber dummer Weise der Meinung, dass just die Datenschutzkommission selbst dieser Richtlinie nicht entspricht – und damit selbst teils widerrechtlich sei. Denn Datenschutzkommissionen sollen nach EU-Recht eigentlich völlig unabhängige Aufsichtsbehörden sein. In Österreich ist ihre Geschäftsstelle aber am Kanzleramt angeschlossen, und damit dem Bundeskanzler organisatorisch wie personell unterworfen.

Also hat die Europäische Kommission die Republik Österreich deswegen nun beim Europäischen Gerichtshof verklagt und ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. So zumindest wurde es zweizeilig medial reportiert.

Wer’s genauer wissen will, was nun eigentlich das Problem ist, der muss in Österreich unweigerlich scheitern. Kurioser Weise nicht am Datenschutz. Sondern: am Amtsgeheimnis.

Denn die Klage der Europäischen Kommission ist geheim. Was sie Österreich vorwirft, dürfen Österreichs Bürger nicht wissen. Eine Sauerei der EU, könnte nun der gelernte Europa-Kritiker meinen. Wenn man uns schon verklagt, sollte man uns auch sagen weswegen genau. Mitnichten: Das Bundeskanzleramt ist es, das das Mahnschreiben unter Verschluss hält. Ebenso übrigens wie die Rechtfertigung Österreichs: Die Stellungnahme des Kanzleramts wird von eben jenem ebenfalls nicht rausgerückt. Ein wenig so, als hätte einem der Lehrer einen Fünfer gegeben, den Eltern zeigt man aber nur das Mitteilungsheft, nicht die Schularbeit selbst. Es könnte sich ja zeigen, dass die eigene Leistung tatsächlich nicht gar so berauschend war. Und wer will sich dann auch noch daheim schelten lassen.

Mehrere Telefonate mit dem zuständigen Verfassungsdienst des Kanzleramts, mehrere Auskünfte: „Das finden Sie im Internet“ (falsch, dort steht’s nicht), „Da ist die Datenschutzkommission zuständig (wieder falsch, die ist nur davon betroffen, darf also gar nichts sagen), „Da müssen Sie den Pressesprecher des Bundeskanzlers anrufen“ (schon wärmer, der hat aber in Zeiten von Griechenland-Krisen wohl anderes zu tun – und müsste ohnehin wieder im Verfassungsdienst nachfragen, was rechtens sei).

Schließlich ein Mail einer engagierten Juristin – doch des Verfassungsdiensts selbst: „Da es sich beim vorliegenden Verfahren um ein Vertragsverletzungsverfahren zwischen der Europäischen Kommission und der Republik Österreich handelt, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass eine Übermittlung der Verfahrensunterlagen an Sie nicht möglich ist.“

Die Begründung: Dies unterliege nach dem „einschlägigen Sekundärrecht und der Rechtsprechung des EuGH der Vertraulichkeit“. Kurze Rückfrage: „Wären Sie bitte so nett mich noch wissen zu lassen auf welchen rechtlichen Passus und welche Gerichtsentscheidung sich diese Haltung des Verfassungsdiensts stützt? - Nur um die Rechtsgrundlage zu kennen und die Nachvollziehbarkeit für alle BürgerInnen sicher zu stellen.“

Antwort: keine mehr. Derartige Nachfragen zum Verständnis des Systems sind in ebenjenem nicht vorgesehen.

Erst die Schlussanträge, also quasi das Plädoyer, wird irgendwann veröffentlicht. Und das Urteil. Auf der Webseite des EuGH. Inzwischen dürfen die Österreicher rätseln, mutmaßen und vielleicht ein paar Verschwörungstheorien spinnen.

Dabei ist „die EU“ bei den Österreichern ohnehin schon kein besonderer Publikumserfolg, leider. Die Auseinandersetzung mit ihr geheim zu halten ist dabei kein probates politisches Konzept, um sie verständlicher oder gar beliebter zu machen. Das sollte erst recht dem Kanzleramt klar sein.

Vielleicht kommt die Antwort ja noch im Laufe des Tages. Wir posten sie dann hier, damit wir vielleicht alle verstehen, warum diese Information unbedingt dem Amtsgeheimnis unterliegen muss – und Österreichs Bürger das nicht wissen dürfen.