Ahmed Tschataev: Der Tschetschene war gut mit dem ermordeten Umar Israilov bekannt.

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Wien/Sofia - Seit 19. Mai, also seit bald zwei Monaten, sitzt der Tschetschene Ahmed Tschataev in bulgarischer Auslieferungshaft. Der 31-Jährige, der im Jahr 2000 in Grosny vom russischen Geheimdienst schwer gefoltert wurde - u. a. wurden auf seinen ohne Narkose amputierten Arm Elektroden angesetzt - ist in Österreich seit 2003 als politischer Flüchtling anerkannt.

In Wien galt Tschataev als Vertrauter Umar Israilovs. Dieser wurde im Jänner 2009 auf offener Straße in Wien erschossen. Nun soll Tschataev nach Russland zurück: Vergangenen Freitag stimmte ein Gericht im bulgarischen Haskovo seiner Auslieferung zu. Dem Europäischen Haftbefehl wegen "Terrorismus" gegen ihn sei Folge zu leisten, befand der dortige Strafsenat. Dass Tschataev in Russland Folter drohe, sei "ungestützt und unbewiesen".

"Ergänzende Informationen" des Außenministeriums

"Wir haben große Angst um Ahmed. Er hat vier kleine Kinder, seine Frau ist am Ende", meint hingegen Ines Scholz, die Tschataev aus Wien kennt. Seit Tagen steht sie in Kontakt mit Amnesty, Human Rights Watch sowie dem Innen- und Außenministerium in Wien, um die Auslieferung des tschetschenischen Oppositionellen zu verhindern. Der Umstand, dass Tschataev in Österreich Asyl hat, helfe nichts, weiß sie. Internationaler Schutz gilt immer nur in jenem Staat, der ihn gewährt hat, auch innerhalb der Europäischen Union.

Im Wiener Außenministerium sagte ein Sprecher, man habe noch am Freitag dem zuständigen bulgarischen Berufungsgericht in Plovdiv "ergänzende Informationen" zukommen lassen. In Plovdiv wird am Donnerstag über den Fall entschieden. Danach ist eine zweite Berufung in Sofia möglich.

Tschataevs Anwalt Vesko Georgiev kritisierte im Gespräch mit dem Standard die bulgarische Justiz: "Es war nicht richtig, ihn hier zu verhaften. Wenn Österreich ihn als Flüchtling anerkennt, sollten wir es auch tun. Wir gehören schließlich zur EU." Eine einstweilige Anordnung beim Straßburger Menschenrechtsgerichtshof zum Stopp der Auslieferung hat Georgiev bereits eingereicht. Der eigentliche Fehler sei, dass der Haftbefehl gegen Tschataev nicht ausgesetzt worden ist, als er in Österreich Asyl bekam, meint Georgiev. (Markus Bernath/Irene Brickner, DER STANDARD-Printausgabe, 5.7.2011)