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Jan-Michael Peters, Biologe und stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Molekulare Pathologie (IMP). Er erhält den mit 1,5 Millonen Euro dotierten Wittgenstein-Preis 2011 für seine Forschungen.

Foto: APA/Fohringer

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"Die Kreativität eines Wissenschafters ist nicht so verschieden von der eines Künstlers."

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"Etwas mehr Zeit und damit indirekt auch persönlichen Freiraum." So beschreibt Jan-Michael Peters, Biologe vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP), die positiven Auswirkungen des Wittgenstein-Preises, zu dessen Empfänger er neben dem Meeresbiologen Gerhard Herndl auserkoren wurde. Im Karriere-Telegramm von derStandard.at erläutert Peters seine Forschungsziele, die Schattenseiten seines Berufes und wie er überhaupt zur Biologie gekommen ist.

derStandard.at: Sie sind Wittgenstein-Preisträger. Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie von der Auszeichnung erfahren haben?

Peters: Ich war völlig überrascht, da der Anruf an einem Samstag kam, fast überrumpelt.

derStandard.at: Hat der "Austro-Nobelpreis", wie der Preis gerne genannt wird, für Sie einen anderen Stellenwert, weil Sie aus Deutschland kommen?

Peters: Ja. Es ehrt mich doppelt, dass ich als Ausländer in Österreich diese Anerkennung finde.

derStandard.at: Gibt es in der Forschung Grenzen?

Peters: In unseren Experimenten selbstverständlich - ethische, aber auch viele praktische, zum Beispiel wie genau man etwas mit einem Mikroskop sehen oder einem anderen Instrument messen kann. Oder noch pragmatischer: wie viel etwas kosten darf. Aber intellektuell gibt es keine Grenzen. Unsere Vorstellung davon wie die Dinge funktionieren, zum Beispiel im Inneren einer menschlichen Zelle, existiert ja zu einem großen Teil in unserer Phantasie. Phantasie nicht in dem Sinn, dass wir uns die Dinge ausdenken, aber in dem Sinn, dass wir versuchen, uns einen Reim auf unsere Beobachtungen zu machen, ein Modell zu entwickeln, das der Wirklichkeit möglichst nahe kommt.

derStandard.at: Was wird sich für Sie durch das Forschungsgeld ändern? Mehr persönlicher Freiraum oder ist das Geld komplett zweckgebunden?

Peters: Beides. Das Geld ist komplett zweckgebunden, aber jetzt ausgestattet mit dem Wittgenstein-Preisgeld werde ich weniger andere Drittmittelanträge stellen müssen. Das wird mir wieder etwas mehr Zeit und damit indirekt auch persönlichen Freiraum geben.

derStandard.at: Wie sind Sie zur Biologie gekommen?

Peters: Durch die Liebe zur Natur und durch die Neugier zu verstehen, wie Lebewesen und wir selbst funktionieren und wo wir herkommen.

derStandard.at: Wann hat sich Ihr Berufswunsch herauskristallisiert?

Peters: Sehr früh. Als kleines Kind wollte ich Zoo-Direktor werden, später dann Insektenforscher. Als ich 14 oder 16 Jahre alt war, stand fest, dass ich Biologe werden wollte. Mein bester Schulfreund wollte Germanist werden, und wir ermutigten uns gegenseitig zu diesen nicht ganz konventionellen Berufswegen. Mein Schulfreund (Moritz Baßler, Anm.)  ist inzwischen einer der bekanntesten deutschen Germanisten, der Experte für Pop-Literatur schlechthin.

derStandard.at: Was ist das Faszinierende an Ihrem Beruf?

Peters: Das Erlebnis, eine Entdeckung zu machen, etwas zu verstehen, das vorher noch nie ein Mensch verstanden hat und die Möglichkeit, seinen Vorstellungen freien Lauf lassen zu können. Wissenschaft zu betreiben ist ein sehr kreativer Prozess. Die Fragen, die wir stellen und die Antworten, die wir finden, sind durch die Natur vorgegeben, aber davon abgesehen ist die Kreativität eines Wissenschafters nicht so verschieden von der eines Künstlers. Natürlich hat mein Beruf noch viele andere positive Seiten: ich treffe viele sehr interessante Menschen und habe die ungewöhnliche Freiheit, mich bei meiner Arbeit mit meinen Interessen beschäftigen zu können.

derStandard.at: Was sind die Schattenseiten Ihres Berufs?

Peters: Dass man eine Wissenschafter-Karriere noch weniger planen kann als eine Karriere in anderen Berufen, vielleicht abgesehen von Künstlern, deren zukünftiger Weg auch schwer vorher zu sagen ist. Als Wissenschafter weiß man nie, was man entdecken wird und ob man der oder die erste sein wird. Mit Entdeckungen ist es ähnlich wie mit sportlichen Erfolgen. So wie es im Sport nur einen Sieger geben kann, kann es in der Wissenschaft nur einen Entdecker geben - wenn etwas einmal bekannt ist, kann man das nicht noch einmal herausfinden. In der Praxis bedeutet das, dass es kein Ausruhen auf Erfolgen gibt, sondern immer die Erwartung, Neues zu entdecken.

derStandard.at: Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?

Peters: Er besteht aus einer Mischung aus Besprechungen, Schreibarbeiten und Lesen. Zum Experimentieren im Labor bleibt mir selber leider keine Zeit mehr, aber ich bespreche oft Ergebnisse mit meinen Mitarbeitern.

derStandard.at: Welche Dinge nerven Sie im beruflichen Alltag am meisten?

Peters: Dass zu wenig Zeit für das Allerwichtigste im Beruf eines Wissenschafters bleibt, zum Lesen und Nachdenken über ein wissenschaftliches Problem.

derStandard.at: Welches berufliche Ziel haben Sie als nächstes im Visier?

Peters: Zu verstehen, wie DNA in unseren Chromosomen verpackt ist, und wie diese DNA von einer Zellgeneration zur nächsten weiter gegeben wird. Das IMP in Wien bietet die denkbar besten Arbeitsbedingungen, um diesen Fragen nachzugehen. Ich plane daher momentan keinen Ortswechsel.

derStandard.at: Was würden Sie gerne erforschen?

Peters: Wie die DNA in unseren Chromosomen verpackt ist und wie sich bei der Befruchtung einer menschlichen Eizelle das Genom des Vaters und das der Mutter zum Bauplan eines neuen Menschen vereinigen. Wenn ich noch einmal ganz von vorne anfangen würde, vielleicht wie Bewusstsein entsteht.

derStandard.at: Wie viele Stunden arbeiten Sie im Schnitt pro Woche?

Peters: 60.

derStandard.at: Wie würden Sie einer Dreijährigen Ihren Job erklären?

Peters: Ich versuche zu verstehen, wie Du auf die Welt gekommen bist und wie aus Dir einmal ein großer Mensch werden wird.

derStandard.at: Welchen Tipp würden Sie jungen ForscherInnen mit auf den Karriereweg geben?

Peters: Sich wissenschaftliche Fragen auszusuchen, die einem wirklich wichtig sind und von denen man gleichzeitig hoffen darf, dass man sie eines Tages wird beantworten können. (om, derStandard.at, 6.7.2011)