Foto: Uykusuz
Foto: Girgir
Foto: Penguen

Das türkische Parlament unternimmt am Montag die Wahl seines Präsidenten (es soll Cemil Cicek sein) und dies ohne Beteiligung der größten Oppositionspartei und der kurdischen Abgeordneten der BDP. Boykott gilt immer noch. Das Satireblatt Uykusuz stellt sich auf seinem Cover diese Woche vor, wie es in einem Parlament zugeht, wo Erdogans Partei ziemlich allein ist: „Sehr geehrte Abgeordnete“, sagt der Herr Premierminister, „da wir hier unter uns sind... wie wär's mit einem Match auf dem Teppich unter Führung von Hakan Şükür?“ Nationalheld Şükür, der jetzt für die AKP als einer der vielen neuen und in der Politik unerfahrenen Parlamentarier in der Fraktion stürmt, meldet sich auch gleich zu Wort: „Ich habe den Ball schon von zu Hause mitgebracht.“

Verantwortlich für den ganzen Schlamassel ist zunächst die Wahlkommission YSK, die einen Abgeordneten – Hatip Dicle – erst als Kandidaten zugelassen (obwohl: auch erst nach Protesten) und ihm nach der Wahl das Mandat wieder aberkannt hat. Dicle sitzt eigentlich im Gefängnis, acht andere Abgeordnete auch. Manche aber wiederum nur in endlos langer U-Haft wie Mehmet Haberal und Mustafa Balbay. Der türkische Wähler ist frustriert, erst recht, wenn er - wie auf der Titelseite von Girgir - am Gebäude des YSK vorbeigeht und von Innen dann einen solchen Spruch hört: „Ich schwöre bei meiner Ehre und Ehrlichkeit, dass ich keinen anderen als den großen Meister und seine Lehrlinge werde Politik lassen machen.“ Der „große Meister“ ist natürlich Tayyip Erdogan.

Denn eigentlich trägt die Oppositionspartei CHP mit ihrer Starrköpfigkeit und Verweigerung des Eids im Parlament (türkische Abkürzung: TBMM) die Verantwortung für die derzeitige politische Blockade. Penguen wartet mit einer den neuen Gegebenheiten angepassten Version des Eides auf, den die türkischen Abgeordneten zu Beginn ihres Mandats leisten müssen (andernfalls dürfen sie nichts im Parlament tun):

„Staatsbürger-Eid: (Schwörend), Hatip Dicle, der mit den Stimmen des Volks gewählt wurde und der durch eine Entscheidung des YSK von seinem Abgeordnetenmandat entbunden wurde, an seinerstatt mit einer Abgeordneten aus der AKP zu ersetzen / Dass die unabhängigen Abgeordneten, die von der BDP unterstützt werden, die Entscheidung für den Boykott des TBMM treffen, indem sie den Eid nicht leisten / Dass die inhaftierten Abgeordneten, unter denen sich auch Namen befinden wie Mehmet Haberal und Mustafa Balbay, nicht freigelassen werden / Dass die Polizeieinsätze mit Pfefferspray bei Demonstrationen, die für die inhaftierten Abgeordneten organisiert werden... wartet die Tagesordnung des Landes auf uns, die uns schon zu Beginn mit einer Eid-Krise schwierige Tage verschafft.“

Ein Abgeordneter sagt danach (in etwa): „Ich bin beim Eid leisten total depressiv geworden!“

Schließlich noch die aktuelle Sitzverteilung im türkischen Parlament:

AKP 327 (ein Sitz mehr, den die Partei nach Dicles Mandatsverlust zugesprochen bekam)

CHP 135 (dabei zwei Abgeordnete in U-Haft)

MHP 53 (davon ein Abgeordneter in U-Haft)

BDP 35 (ein Sitz weniger als eigentlich gewonnen; davon sechs Abgeordnete in Haft)