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Am Sonntag herrschte in Toyotas Büros und Fabriken Hochbetrieb. Zu Hunderten strömten die Angestellten wie an einem normalen Arbeitstag ins Büro. Denn seit Samstag arbeitet der gesamte Konzern auch am Wochenende. Als Ausgleich dafür gibt es an zwei Wochentagen frei.

Toyota ist kein Einzelfall. Viele Unternehmen machen von Juli bis September bei der radikalsten freiwilligen Arbeitszeitreform in der Nachkriegsgeschichte mit, um an Werktagen den Stromverbrauch zu senken und damit Stromausfälle zu vermeiden. Denn in Japan herrscht seit der Erdbeben- und Atomkatastrophe am 11. März akute Stromnot.

35 von 54 Atommeiler sind derzeit nicht am Netz. Ein Teil wurde von Beben und Tsunami beschädigt, die meisten sind zwecks Wartungen abgeschaltet und wurden wegen der wachsenden Ablehnung von Atomkraft noch nicht wieder eingeschaltet.

Besonders hart trifft das Tokio mit mehr als 30 Millionen Einwohnern. Denn Stromversorger Tepco hat durch den Reaktorunfall rund 20 Prozent der Erzeugungskapazität verloren. Um Stromabschaltungen zu verhindern, haben Regierung und Tepco Bürger und Wirtschaft gebeten, den Spitzenstromverbrauch um 15 Prozent zu senken. Und die machen mit. Schummerlicht ersetzt einstige Glitzerpracht - und die Menschen müssen schwitzen.

Weniger Licht

Bei der Investmentbank Nomura wird die Bürobeleuchtung um 50 Prozent reduziert, in Fluren sogar um noch mehr. Auch die PC-Bildschirme schalten sich nicht mehr nach 20 Minuten Nichtstun aus, sondern nach fünf. Zudem werden die Klimaanlagen auf 28 Grad eingestellt und ein Teil der Fahrstühle abgestellt. Dafür dürfen Angestellte ohne Krawatte und Jacket zur Arbeit kommen. "Cool Biz" heißt die Kampagne.

Auch investieren Privatleute wie Firmen massiv in Energiespartechnik. Der Absatz von extrem sparsamen LED-Lampen ist explodiert und macht schon mehr als zwei Drittel des Lampenumsatzes aus. Panasonic stattet sogar alle Büros und Fabriken mit Bewegungs-, Wärme- und Feuchtigkeitssensoren aus, die Daten für ein Energiemanagementsystem sammeln. Optimierte Steuerung von Licht, Kühlung und Produktionsanlagen sollen den Verbrauch um 15 Prozent senken.

Die Aktionen haben Erfolg. Am 1. Juli lag der Spitzenstromverbrauch (13-14 Uhr) mit 41,7 Mio. Kilowatt 15 Prozent unter Vorjahreswert, obwohl es drei Grad wärmer war. Der Eifer beunruhigt nun die Behörden: In TV-Sendungen und Hausbesuchen werden ältere Menschen vor der Gefahr eines Hitzeschlags gewarnt.

Unterdessen zeichnet sich ab, wie die Regierung mit Tepco verfahren will: Der Betreiber des Unglücks-AKWs Fukushima soll teilweise verstaatlicht werden. Das Stromnetz soll verkauft und die Atomsparte verstaatlicht werden, schreibt die Zeitung Mainichi. Tepco blieben nur Wärme- und Wasserkraftwerke. Das Vermögen im Stromgeschäft würde um fast 75 Prozent auf umgerechnet 13,6 Mrd. Euro von derzeit 60 gekappt. (Martin Kölling aus Tokio, DER STANDARD, Printausgabe, 4.7.2011)