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Die Knochenteile, die am Donnerstag in einem Keller in Dietmannsdorf gefunden wurden, stammen von Julia Kührer.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

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Im Vorjahr rollte das Bundeskriminalamt den Fall Kührer neu auf. Nun wurde Leiche gefunden - durch reinen Zufall.

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Nachbarn entdeckten die Skelettteile auf seinem Grundstück, der 50-Jährige bestreitet jede Beteiligung. Samstagvormittag wurde bekannt, dass mittlerweile das gesamte Skelett in Dietmannsdorf gefunden wurde. Die Leiche wurde nicht zerstückelt.

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Wien - "Er war irgendwie suspekt. Ein echter Prolet." Frau Birgit hat keine gute Meinung von ihrem ehemaligen Nachbarn Michael K., der das gegenüberliegende Haus in der kleinen niederösterreichischen Gemeinde Dietmannsdorf bewohnt hat. Das Haus, wo in einem Kellergewölbe im Garten am Donnerstagabend Skelettteile gefunden wurden. Skelettteile, die von Julia Kührer stammen, wie seit Freitagnachmittag feststeht.

Fast genau fünf Jahre nach dem Verschwinden der damals 16-Jährigen ist sich die Polizei sicher, den Kriminalfall gelöst zu haben. Der Verdächtige: Ein 50-jähriger gebürtiger Amstettner, der Freitagmorgen in Wien-Stammersdorf verhaftet worden ist. Michael K., der schon in der Vergangenheit bei den Ermittlungen mehrmals befragt worden ist.

Er betrieb eine kleine Videothek am Hauptplatz von Kührers Heimatort Pulkau, der nur wenige Kilometer von Dietmannsdorf entfernt liegt. Der Hauptplatz war auch jene Stelle, wo der Teenager am 27. Mai 2006 gegen 13.30 Uhr zum letzten Mal lebend gesehen worden war.

"Das war dort ein Jugendtreff. Es gab einen Dart-Automaten, Getränke. Die Videos waren illegal gebrannt", behauptet K.s junge Nachbarin.

Auch Julia Kührer besuchte die Videothek gelegentlich. "Das hat er auch nie geleugnet", sagt Ernst Geiger vom Bundeskriminalamt am Freitagabend bei einer Pressekonferenz in Pulkau. "Im Zuge der fünfjährigen Ermittlungen wurde er insgesamt viermal befragt, es gibt 20 Seiten Aussagen von ihm. Aber er war immer nur Zeuge, es gab keinen konkreten Tatverdacht."

Konkret wurde der erst am Donnerstag. Zwei Nachbarn spielten mit dem Hund in ihrem Garten in Dietmannsdorf, der Ball flog auf K.s Grundstück. Sie wollten ihn holen, entdeckten den abgedeckten Eingang zu einem Gewölbe im Hang. Aus Neugier entfernten sie die Platten, stiegen hinab - und fanden den Schädel sowie weitere Leichenteile. Auch ein teilweise verbranntes Wörterbuch konnte die Polizei sicherstellen.

"Er ist kooperativ"

Wie die Überreste des Mädchens dorthin kamen, wollte der Verdächtige laut Geiger bei den Einvernahmen am Freitag nicht sagen. "Er bestreitet jede Beteiligung an der Tat. Er ist aber auch kooperativ, hat andere Namen genannt. Wir müssen daher jetzt das Umfeld neuerlich befragen" , sagt der Kriminalist. Die Ermittlungen werden noch länger dauern, denn viele Fragen sind noch offen.

Etwa die Tatsache, dass der letzte registrierte Standort des Handys von Julia Kührer in der Nähe der gut 20 Kilometer entfernten Stadt Horn gelegen ist. Völlig unklar ist auch, wie Julia ums Leben gekommen ist. "Es ist aber möglich, dass sich das nie mehr feststellen lässt. Wenn nur noch Knochen erhalten sind, kann beispielsweise ein Erwürgen nicht mehr nachgewiesen werden" , erläutert Geiger. Noch ist auch nicht bekannt, wo sich der Rest des Skelettes befindet. Ob die Leiche zerteilt wurde oder etwa Tiere Knochen weggetragen haben.

Über die Person des Verdächtigen sagt die Polizei dagegen wenig. Er sei weder wegen Sexual- noch Gewaltdelikten vorbestraft, heißt es lapidar. Andere Vorstrafen habe es aber sehr wohl gegeben, heißt es aus Ermittlerkreisen.

"Er hatte Geldprobleme"

"Er hat immer Geldprobleme gehabt" , weiß die Nachbarin. "Das erste Auto, ein großer Mercedes, hat die Leasingfirma wieder eingezogen. Beim zweiten wurden ihm die Nummerntafeln abmontiert, weil er die Versicherung nicht bezahlt hat. Und das dritte war dann gemietet."

Rudolf Theurerer ist der Nachbar, der oberhalb des Grundstückes von K. wohnt. "Er war eigentlich recht umgänglich, hat aber relativ viel geredet." Wenige Tage nach Kührers Verschwinden sei K. dann allerdings nicht mehr im Haus gewesen, erinnert er sich. "Irgendwann hat er dann auch die Videothek zugesperrt."

Nun muss sich aber erst herausstellen, was dem Mann nachgewiesen werden kann. Denn schon im Mai des Vorjahres war sich die Justiz einmal sicher, den Fall geklärt zu haben. Bei einer massiven Polizeiaktion wurden zwei junge Männer und eine Frau festgenommen, die etwas mit dem Verschwinden des Teenagers zu tun gehabt haben sollen. Bei der Telefonüberwachung der Twens wollte die Polizei herausgehört haben, jemand habe das Trio "verpfiffen" . Die Freude über den Erfolg währte damals nicht lange: Bereits zwei Tage später enthaftete das Gericht alle drei Beteiligten, selbst die Staatsanwaltschaft legte dagegen keine Beschwerde ein.

Keine Entschuldigung

Eine Episode, die die damals Verdächtigen noch heute betrifft, wie sich bei der Pressekonferenz zeigt. "Wir haben bis heute noch keine Entschuldigung von ihnen bekommen, geschweige denn eine Entschädigung. Ich habe von damals noch 7000 Euro Anwaltskosten offen und verdiene 1200 Euro" , bricht es aus einem der anwesenden damaligen Verdächtigen heraus. "Zumindest eine Entschuldigung will ich" , ruft er. Ohne Reaktion.

Fix ist aber, dass die damals Verdächtigen von jedem Verdacht reingewaschen sind. Weder hatten sie je engeren Kontakt mit dem nun Verhafteten, noch hat er sie irgendwie belastet, stellt Geiger klar.

Für die Polizei stehen jedenfalls arbeitssame Tage bevor. Die Spurensicherung muss den Fundort der Leichenteile neuerlich durchsuchen. Denn mit genügend Material könnte die Gerichtsmedizin versuchen herauszufinden, ob Kührer beispielsweise betäubt worden ist. Auch DNA-Spuren, die dem Verdächtigen zugeordnet werden können, stehen im Fokus der Ermittler. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 2./3. Juli 2011)