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Brüssel - Die Forderung der EU-Kommission nach Einführung von zwei neuen Steuern zugunsten des EU-Budget stößt auf scharfe Kritik bei den Hauptzahlern der Europäischen Union. "Es gibt keinen Bedarf für eine solche Steuer, denn die EU hat kein Finanzierungsproblem", erklärte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstag in Berlin. Als "komplett unrealistisch" bezeichnete die britische Regierung die Budgetpläne der EU-Behörde. "Die Steuererhebung ist eine nationale Befugnis", winkte auch der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager ab. In Österreich reagierte man hingegen erfreut: "Es zeigt sich, dass nichts so stark ist, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist", erklärte Staatssekretär Andreas Schieder.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte am späten Mittwochabend den Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 vorgeschlagen. Demnach sollen die Ausgaben im Vergleich zur Vorperiode um fünf Prozent von 925 auf 972 Milliarden Euro steigen. Barroso sprach von einem "Haushalt der Stabilität", weil der Anteil der 972 Milliarden Euro unverändert bei 1,0 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Mitgliedstaaten liegt.

In diesem Budgetentwurf sind aber 58 Milliarden Euro - darunter 30 Milliarden für die Entwicklungspolitik - wie schon in den vergangenen Plänen nicht enthalten. Außerhalb des Etats werden auch das Satellitenprojekt Galileo und der Fusionsreaktor ITER sowie verschiedene Reserven für Notfälle geführt.

Euphorie

Der Chef der Liberalen (ALDE) im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, begrüße den Kommissionsvorschlag. "Wir haben einen fantastischen Vorschlag", gab sich der ehemalige belgische Regierungschef nahezu euphorisch. Italien, Schweden, Dänemark und auch Tschechien äußerten sich dagegen kritisch zu den Budgetplänen. Italien halte es als eine nationale Priorität für unabdingbar, dass im nächsten Finanzzyklus sein Saldo-Beitrag verringert werde, "der uns als Netto-Beitragszahler zum Budget von etwa fünf Milliarden Euro sieht", heißt es in einer Mitteilung von Außenminister Franco Frattini. Die Kommission habe ein "viel zu hohes Budgetniveau" angesetzt, kritisierte die schwedische EU-Ministerin Birgitta Ohlsson am Donnerstag in Stockholm. Der Entwurf sei überdies altmodisch. Auch Dänemarks Finanzminister Claus Hjort Frederiksen bemängelte das aus seiner Sicht "viel zu hohe Ausgabenniveau". Tschechien behielt sich vor, an einer Finanztransaktionssteuer teilzunehmen. Tschechien sei generell gegen gemeinsame EU-Steuern, weil sie die Steuerhoheit der Mitgliedsstaaten einschränken würden, stellte ein Sprecher des Prager Finanzministeriums klar.

Die neuen Steuern sind nur ein Teil von Reformvorschlägen auf der Einnahmeseite. Barroso forderte einen direkten Anteil der EU an den Mehrwertsteuereinnahmen der 27 Mitgliedstaaten und an einer bisher noch nicht existenten Steuer auf Finanztransaktionen. Zugleich will die Kommission auf die bisherige Beteiligung an der Mehrwertsteuer verzichten, die pro Jahr etwa 14 Milliarden Euro beträgt.

Es gehe nicht um zusätzliche Belastungen der Bürger, sagten EU-Beamte am Donnerstag. Ohnehin soll im Herbst ein neuer Versuch unternommen werden, die Mehrwertsteuersätze in den einzelnen Staaten zu vereinheitlichen und Schlupflöcher zu schließen. Ab 2018 wolle die Kommission "einen oder zwei Prozentpunkte" der nationalen Mehrwertsteuereinnahmen in ihre Kassen leiten dürfen - bezogen auf jene Produkte, die in allen Ländern den Standardsätzen der Mehrwertsteuer unterlägen.

Entlastung für Regierungen

Zugleich würden jedoch die Regierungen um Zahlungen in gleicher Höhe entlastet: "Wir wollen nicht mehr Geld", hieß es in der Kommission. Gemeinsam mit der Finanz-Transaktionssteuer könnte der Anteil der Eigenmittel am EU-Budget von jetzt 25 auf gut 60 Prozent im Jahr 2020 steigen. Die Transaktionsteuer belaste ebenfalls den normalen Steuerzahler nicht. Wie hoch diese Steuer sei und für welche Produkte sie gelte, müsse noch entschieden werden.

Bisher werden 74,2 Prozent des EU-Haushalts direkt von den Regierungen aus den nationalen Haushalten nach Brüssel überwiesen. Der derzeitige Briten-Rabatt soll nach dem Willen der Kommission ersetzt werden, nur die größten Nettozahler Deutschland, die Niederlande, Schweden und Großbritannien sollen nach dem Plan der Kommission künftig mit jährlichen Pauschalsummen eine Reduktion auf den EU-Haushalt bekommen. Großbritannien soll 3,6 Milliarden Euro, Deutschland 2,5 Milliarden Euro, die Niederlande 1,05 Milliarden Euro und Schweden 350 Millionen Euro bekommen. Diese Beträge lägen "geringfügig" unter den bisherigen Rabatten, hieß es.

Die Finanzplanung der EU soll nach monatelangen Verhandlungen entweder im Sommer oder im Dezember 2012 beschlossen werden. Sie schreibt in den beiden wichtigsten Ausgabenblöcken im Wesentlichen die bisherigen Größenordnungen fest. So sind bei den Verpflichtungsermächtigungen (die Zahlungen sind in der Mehrjahresplanung noch nicht enthalten) für die Hilfen für ärmere Regionen und Staaten 376 Milliarden Euro und für die Landwirtschaft 383 Milliarden Euro angesetzt. Die Direktzahlungen an Bauern (281 Milliarden Euro) sollen im Lauf der Jahre tendenziell sinken. Sie sollen auch stärker auf Landwirte in armen Regionen ausgerichtet sein. Die gesamten Verpflichtungsermächtigungen belaufen sich auf 1,02 Billionen Euro - was 1,05 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommen entspricht. (APA)