So schwarz wie flott: Der Motor des Modells "Fux" erkennt die Trittkraft des Fahrers und schaltet sich automatisch zu. Sobald dieser zu treten aufhört, schaltet sich auch der Motor wieder ab.

Foto: Elektrobiker

Der Tacho am Lenker des Testrades sei notwendig, beteuert Wendelin Fortner. "Die Leute glauben es sonst nicht." Dieses "es" ist eine "sie": Geschwindigkeit. Dass man ein Fahrrad, noch dazu ein massives Lastenfahrrad, das locker 28 Kilo wiegt, mühelos auf mehr als 30 km/h hochtreten kann, glaubt dem Wiener Radhändler kein Kunde - bis er es selbst getan hat: locker, sitzend und bergauf. Denn auch wenn die Westbahnstraße in Wien-Neubau nicht der Glockner ist: Bergauf geht sie allemal - und zwar in jener sanften Steilheit, die manchem Wiener als Ausrede dient: Radfahren, zumal bergauf, strengt an. Wer sich anstrengt, schwitzt - und wer will verschwitzt im Büro einreiten? Eben.

Der 30-jährige Fortner und sein Bruder verkaufen seit November 2009 hier, im Herzen "Bobostans", Räder. Genauer: Elektrofahrräder. Selbstgebaute ebenso wie die großer und renommierter Hersteller von Bikes, deren Motoren Strampelkraft nicht ersetzen, sondern verstärken. 2008 verließen die Brüder dafür ihr angestammtes Metier: den Autozubehörhandel. Das, sagen die beiden "Elektrobiker" heute, sei symptomatisch: Der Großteil ihrer Kunden sind ebenfalls "Überläufer" - und es werden mehr: "Wir haben bisher noch jedes Jahr unsere Umsatzzahlen verdoppelt."

Jedes dritte Fahrrad ein E-Bike

Was die Wiener Elektroradler im Kleinen erleben, stimmt auch in der großen Rad-Welt: Schon vor zwei Jahren mutmaßten Branchenkenner, dass binnen zehn Jahren fast jedes dritte Fahrrad ein E-Bike, der Fachausdruck lautet "Pedelec", sein werde. Anfang Juni jubelte dann Ernst Aichinger, Obmann des österreichischen Sportartikelfachhandels via APA, dass der Fahrradverkauf generell boome - die größten Zuwächse (prozentuell und noch nicht in absoluten Zahlen) gebe es bei E-Bikes.

Die Statistik der Branche bestätigt das: Heuer dürften 40.000 Pedelecs in Österreich verkauft werden. Im Vorjahr waren es halb so viele. 2009 rund 12.000 - und 2008 erst 3000. KTM, der Mattighofener Fahrradhersteller, der 1999 das erste serienreife E-Bike präsentierte, wird heuer den eigenen (globalen) Elektrorad-Absatz auf 25.000 Stück steigern - mehr als zehn Prozent der Gesamtproduktion. Das jedenfalls erklärte KTM-Eigentümerin Carol Urkauf-Chen im März in den Salzburger Nachrichten.

Durchschnittlich, so Branchensprecher Aichinger, gibt ein E-Bike-Käufer zwischen 1000 und 1500 Euro aus. Aichinger macht vor allem Pensionisten als Freunde der schönen neuen Leichter-Radel-Welt aus.

Doch da liegt der Mainstream-Radhandel längst hinter dem Trend. Denn bei Spezialisten wie den Brüdern Fortner sind rüstige Rentner längst ein Minderheitenprogramm - obwohl auch die beiden Ex-Autoverschönerer so zum Elektrorad kamen: "Unser Vater wollte ein E-Bike, aber am Markt war nichts Brauchbares. Also haben wir das Rad selbst gebaut."

Was danach geschah, ist nachvollziehbar: Jüngeres Publikum fand die fröhlich beschleunigenden Pedelecs lustig - wurde aber vom Design der Schwergewichte abgeschreckt. Aber das war einmal: Auch die großen Hersteller stellen sich längst der Sehnsucht nach herzeigbaren E-Rädern. Das - zu 80 Prozent männliche - Publikum dankt derlei Fürsorge - und legt in der Regel rund 3800 Euro für ein E-Bike hin.

Nicht nur bei den Neubauer-Elektroradlern: "Die hohen Preise sind immer noch das große Problem der E-Bikes", meint Michael Ferdiny, der Betreiber des auch nicht gerade auf Billigräder spezialisierten Radladens Cyclopia in Wien-Mariahilf: "Alles unter 2000 Euro ist ein potenzieller Schuss ins Knie: Wer ein günstiges No-Name-Bike kauft, geht ziemlich sicher durch die Hölle der Ersatzteil-Logistik."

Bis zu 45 Stundenkilometer

Darüber hinaus warnt Ferdiny - im Einklang mit anderen spezialisierten Rad-Händlern - vor einem E-Bike-Problem, vor dem der jubelnde Großhandel ebenso wie Politiker, die über Förderprogramme für Peledecs gern ihr Öko-Verkehrsbewusstsein demonstrieren, konsequent die Augen verschließen. Dass alle E-Bikes die Trittkraft ihrer Betreiber nur bis 25 km/h verstärken, stimmt nämlich nicht. Etliche Elektrofahrräder gehen bis 45 km/h - ganz offiziell und ab Werk.

In Deutschland laufen diese Bikes, die es auch in puncto Beschleunigung mit den meisten (legal eingestellten) Mopeds aufnehmen können, als "S-Pedelecs. Sie unterliegen eigenen Benutzungsregeln - und brauchen eine Anmeldung und ein Versicherungs-Kennzeichen. In Österreich werden sie ebenfalls legal verkauft - und rollen durchs juristische Niemandsland: Alle Versuche, diese Nicht-Fahrräder-Dinger anzumelden, zu typisieren, zu versichern oder sonst wie ins Radar der Straßenverkehrsordnung zu bringen, scheiterten bisher. Radhändler Ferdiny: "Das ist die typisch österreichische Wegschau-Mentalität. Denn jeder, der einmal auf so etwas gesessen ist, weiß: Das sind Geschoße. Lustig - aber man muss sie beherrschen. Aber selbst dann: Mit 45 km/h gehört nichts und niemand auf einen Radweg."

Doch auch weniger flinke Pedelec-Fahrer, gibt E-Biker Fortner zu bedenken, sind mitunter ein Risiko: "Das ist wie mit 90-Jährigen auf der Autobahn: Vor allem älteren Menschen gibt ein E-Bike eine Mobilität zurück, die sie für verloren hielten. Das hat viele gute Seiten, ist aber nicht ungefährlich: Die meisten Leute, die ganz normale Fahrräder gewohnt sind, müssen umlernen."

Auch deshalb haben alle Probefahrt-Fahrräder im Geschäft von Wendelin Fortner einen Tachometer: "Weil die Leute es einfach nicht glauben." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Rondo/01.07.2011)