In Plakatform gebracht, spielen die Assemblagen von Lucie Stahl mit der Werbeästhetik. In Details wird die glatte Oberfläche allerdings wieder gebrochen.

Foto: Tina Herzl

Wien - Als künstlerisches Medium ist der Scanner bis dato schwer vernachlässigt worden. Ebenso wie mit dem Kopierer assoziiert man mit ihm eher ein tristes Dasein in einem Office, wo er langweilige Dokumente reproduziert. Bei Lucie Stahl (geb. 1977 in Berlin) übernimmt das zur Vervielfältigung bestimmte Gerät hingegen eine weitaus lustvollere und zudem originäre Funktion: Badeschaum, ölige Farben, Puder, Gewürze und leicht fetischisierbare Objekte (u. a. Krawatten, Autoreifen, Ohrringe, Plastikobjekte) arrangiert die Künstlerin mit Ausschnitten aus Comics und Magazinen auf der Glasfläche und scannt sie ein. Anschließend werden sie vergrößert und mit Kunstharz übergossen.

Ein wichtiges Element in den zweidimensionalen, nun bei Meyer Kainer präsentierten Materialassemblagen nehmen außerdem eigene Texte ein. Darin spannt die Künstlerin einen Bogen vom Alltagsmedium Scanner zur alltagsbezogenen amerikanischen Stand-up-Comedy. Stahl bezieht sich in den kleinen, trockenen Anekdoten auf Auftritte und Filmskripts berühmter Comedians (wie jene von George Carlin und David Mamet). Oder sie reflektiert Szenen aus ihrem eigenen Leben, die ebenso "entertaining" wie politisch sind. Ihr spezieller Umgang mit Selbstzweifeln gehört genauso dazu wie der Wettbewerb unter Künstlerkollegen oder das Geständnis, dass ihr insbesondere die österreichische Werbung immer wieder Rätsel aufgibt.

Lucie Stahl, die bei Amelie von Wulffen an der Akademie der bildenden Künste unterrichtete (jetzt bei Birgit Megerle), hält mit ihrer feministischen Perspektive nicht hinter dem Berg, wenn sie ihr Unverständnis gegenüber sexistischer Werbung zum Ausdruck bringt oder den Kunstbetrieb mit dem Vorwurf des Sexismus belastet. Overrated titelt schließlich eines der Poster, das auf einen Kunstkritiker und dessen offen bekundete Meinung zurückgeht, dass das Werk von Louise Bourgeois überschätzt werde.

Ihre zum Teil durchaus ernüchternden Beobachtungen bringt Stahl in ein Hochglanzformat, das mit der Werbeästhetik liebäugelt und sie gleichzeitig unterwandert: Da sich die Kompositionen beim Scannen weitgehend ihrer Kontrolle entziehen, sind glatte Oberflächen und säuberlich geschliffene Ränder nicht möglich. Außerdem verleiht das Polyurethan den Collagen eine Körperlichkeit und Haptik. Zusammen mit den auf dem Scanner verschütteten Flüssigkeiten und den diversen, in den Assemblagen versammelten Geschichten über sexuelle Begehrlichkeiten ergibt das eine wohltuend dreckige Mischung. (Christa Benzer/ DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2011)