Warschau - Die national-konservative Opposition in Polen hat erneut schwere Vorwürfe gegen Russland im Zusammenhang mit der Flugkatastrophe in Smolensk erhoben. "Die Hauptschuld (für den Absturz) trägt Russland", sagte der Chef der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, am Mittwoch in Warschau. Über die Frage, ob es Absicht gewesen sei, müsse noch diskutiert werden. Seine Partei veröffentlichte 14 Monate nach dem tragischen Unfall mit 96 Toten eine Dokumentensammlung. Bei der Katastrophe war auch Präsident Lech Kaczynski, Jaroslaws Zwillingsbruder, ums Leben gekommen.

PiS-Abgeordneter Antoni Macierewicz betonte, die russischen Flugbehörden hätten den Flughafen in Smolensk wegen dichten Nebels schließen müssen. Die Präsidentenmaschine hätte zu einem Ersatzflughafen umgeleitet werden sollen. Der national-konservative Politiker, der einen Untersuchungsausschuss leitet, beschuldigte zudem Moskau, die Aufzeichnungen der Flugschreiber gefälscht zu haben. Auch Aussagen der Fluglotsen seien manipuliert worden. Die Regierung des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk hätte die Ermittlungen nicht an Russland abgeben sollen, meinte Macierewicz.

Die russische Seite hatte in einem im Jänner veröffentlichten Bericht die Hauptschuld für den Unfall den polnischen Piloten gegeben. Die polnische Regierung will ihren Untersuchungsbericht in Kürze vorstellen. Polnischen Medien zufolge wird die Schuldfrage für die Katastrophe eine wichtige Rolle vor der Parlamentswahl im Herbst spielen.

Das Flugzeug mit Lech Kaczynski, seiner Frau Maria und 94 weiteren Prominenten aus Politik, Militär und Kirchen war am 10. April 2010 beim Landeversuch auf den Flughafen im russischen Smolensk im dichten Nebel zerschellt, keiner der Insassen überlebte. Die Delegation war auf dem Weg nach Katyn bei Smolensk, wo der sowjetische Geheimdienst 1940 tausende polnischer Offiziere erschossen hatte.

Umfragen zufolge haben die Polen die politische Ausschlachtung der Smolensk-Katastrophe satt. Im April gaben 87 Prozent der Polen in einer Umfrage an, die Katastrophe werde für politische Zwecke missbraucht. 85 Prozent der Befragten sehen darin ein "bequemes Ersatzthema". Eine Abfuhr erhielt die Kaczynski-Partei auch bei ihrem Vorstoß, in der Warschauer Innenstadt ein Denkmal für die Opfer des Flugzeugabsturzes vom 10. April 2010 zu errichten. In einer Umfrage gaben mehr als 70 Prozent der Warschauer an, dass das existierende Denkmal auf dem Militärfriedhof Powazki ausreicht. Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz will sich dem Willen der Bürger fügen. (APA)