Kürzlich unterhielt ich mich mit einem der führenden deutschen Ökonomen über Griechenland. Gefragt, wie er glaube, dass es weitergehe, meinte er: "Man wird sich schon durchwurstln". Aber durchwurstln, d.h. immer wieder neue Rettungspakete bis es vielleicht mal passt, das funktioniert nicht!

Griechenland hat derzeit zwei Probleme

Erstens Überschuldung und zweitens mangelnde Wettbewerbsfähigkeit durch einen aufgeblähten Staatsapparat, zu generöse Pensionen, unflexible Arbeitsmärkte, Korruption und hohe Löhne. Während die griechische Regierung hart daran arbeitet, das zweite Problem zu lösen (zum Unmut all jener, die bisher in den Genuss diverser Privilegien kamen), ist beim ersten Problem, der Überschuldung, die Hilfe Europas gefordert. Entgegen der Diktion der EU, dass ein Bankrott um jeden Preis vermieden werden muss, argumentiere ich seit Beginn der Krise dafür, Griechenland möglichst schnell in den Staatsbankrott gehen zu lassen - nicht, weil ich den Griechen nicht helfen will, sondern weil dies der beste Weg ist, ihnen zu helfen!

Die Griechen sind ein unternehmerisches Volk, und wenn man ihnen die Chance gibt, werden sie es schaffen, ihre Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. Das kann aber nur gelingen, wenn man ihnen die Schuldenlast, die sie heute tragen müssen, etwas erleichtert. Die "Rettungspakete" (kurzfristige Kredite für die natürlich Zinsen gezahlt werden müssen) erhöhen aber nur ständig die Schuldenlast - noch 2008 hatten die Griechen "nur" 108 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung an Schulden, heute sind es 150 Prozent und jeden Monat kommt ein weiteres Prozent dazu. Je länger mit der "Pleite" gewartet wird, desto teurer wird es für alle Beteiligten, v.a. für die Griechen selbst.

Neustart durch Streichung eines Teils der Schulden

Eine einfache Laufzeitverlängerung der Kredite um sieben Jahre, wie derzeit von vielen EU-Politikern favorisiert, löst das Problem nicht - die Griechen werden auch in sieben Jahren nicht in der Lage sein, die Schulden voll zu zahlen. Anstatt nun also sieben weitere Jahre Unsicherheit und Spekulation Tür und Tor zu öffnen, plädiere ich möglichst schnell für eine wirkliche Streichung eines Teils der Schulden, d.h. einen Staatsbankrott (für ein Unternehmen würde man von einem Zwangsausgleich sprechen).

Dabei sollten mindestens 40 Prozent der Schulden, besser noch 50 Prozent erlassen werden, um den Griechen einen Neustart mit erträglicher Schuldenlast zu ermöglich. Würde heute eine Streichung von 50 Prozent der Schulden erfolgen, wären die Restschulden 75 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit vergleichbar mit Österreichs Schuldenquote, die derzeit bei 74 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt.

Die Unkenrufe, dass mit einer Pleite Griechenlands das Weltfinanzsystem zusammenbrechen würde, zumindest aber viele Banken ins Wanken gerieten, kann ich schon gar nicht mehr hören: Jeder Akteur weiß seit zumindest 14 Monaten vom drohenden griechischen Zahlungsausfall und die Märkte haben darauf reagiert, indem die Preise griechischer Staatsanleihen deutlich gesunken sind - eine 10-Jahresanleihe mit Nennwert 100 kostet derzeit kaum mehr als 50.

Je länger und öfter die EU Griechenland mit weiteren Krediten unter die Arme greift, desto länger erhalten jene risikobereiten Spekulanten, die griechische Anleihen billig kaufen, dafür enorme Renditen von 15 Prozent und mehr. Jede Bank und jeder Private hatte genug Zeit sich von griechischen Anleihen zu trennen, so dass das Argument, dass die Finanzwelt das nicht verkraften könnte einfach nicht stimmt - die Märkte haben eine kommende Pleite schon lange bei den Preisen vorweggenommen. Je länger nun weiter Kredite der EU an Griechenland gegeben werden, desto länger fließt Geld vom Steuerzahler zu Spekulanten, die Griechenlandanleihen in der Erwartung halten, dass die EU sich weiter "durchwurstelt". (Leser-Kommentar, Jürgen Huber, derStandard.at, 29.6.2011)