Agata Ciabattoni mag Mathematik und Wien.

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Eigentlich hätte Agata Ciabattoni dem Beispiel ihrer Eltern folgen und Lehrerin werden sollen. Sie wuchs in dem kleinen Dorf Ripatransone in den italienischen Marken, hoch über der Adria, auf. Die einzige höhere Schule im Ort bildete Volksschullehrer aus.

Doch das Interesse für wissenschaftliche Themen war größer - so entschloss sie sich, nach Bologna zu ziehen und Informatik zu studieren. "Ich hatte immer schon eine Vorliebe für Mathematik, dachte aber, dass ich mit Informatik mehr Möglichkeiten habe", sagt Agata Ciabattoni. "Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Aber ich habe schnell gemerkt, dass mir das Fach wirklich gut gefällt."

Seither hat sie die Informatik nicht mehr losgelassen: Nach dem Master in Bologna folgte das Doktorat in Mailand. Im Jahr 2007 habilitierte sie an der TU Wien, wo sie heute als Privatdozentin im Arbeitsbereich Theoretische Informatik und Logik des Instituts für Computersprachen tätig ist.

Vergangene Woche wurde Ciabattoni als einzige Frau mit einem von acht Start-Preisen des Wissenschaftsfonds FWF ausgezeichnet. Der Preis für exzellente NachwuchsforscherInnen gehört mit bis zu 1,2 Millionen Euro zu den höchstdotierten Förderungen in Österreich. Nach Wien verschlug es Ciabattoni im Jahr 2000, als sie begann, im Rahmen eines Marie-Curie-Stipendiums der EU mit einer ForscherInnengruppe der TU Wien zusammenzuarbeiten. "Mein Plan war, zwei Jahre zu bleiben. Ich wusste aber sehr schnell, dass ich nicht mehr zurückkehren würde", erzählt die Wissenschafterin. "Ich liebe die Stadt, und mein Arbeitsumfeld ist optimal." In Wien wird sie auch bleiben.

Logik: Genauer gesagt, nicht klassische Logik

In ihrem auf sechs Jahre angelegten Projekt mit dem Titel "Nichtklassische Beweise: Theorie, Automatisierung, Anwendung" widmet sie sich ganz ihrem Fachgebiet Logik, genauer gesagt der nichtklassischen Logik. Während die klassische Logik nur Aussagen wie "wahr" oder "falsch", 1 oder 0 kennt, berücksichtigt die nichtklassische Logik auch Unschärfen, Abweichungen oder vereinfacht gesagt Zwischenstufen wie "ein bisschen", "ziemlich" oder "stark".

Ziel von Ciabattonis Projekt ist es, für die Vielfalt an nichtklassischen Logiken eine Theorie zu entwickeln, die es ermöglicht, auch nichtklassische logische Schlussfolgerungen automatisiert durchzuführen. "Üblicherweise müssen solche Logiken von Fall zu Fall gelöst werden. Für jede Anwendung braucht man neue Algorithmen", erläutert die Informatikerin. "Wir suchen eine Methode, um Logiken anhand ihrer Eigenschaften zu klassifizieren und die Grundlagen für eine automatische Verarbeitung zu legen."

Anwendungsgebiete finden sich in der Mathematik, der Informatik und der Künstlichen Intelligenz, also überall, wo hochkomplexe Logik gefragt ist. In einem vom Wiener Wissenschaftsfonds WWTF geförderten Projekt, das noch bis 2012 läuft, ist Ciabattoni etwa dabei, das elektronische Diagnosesystem zu verbessern, das Ärztinnen/Ärzten bei der Beurteilung von Krankheiten hilft. Auch dafür benutzt sie "nichtklassische Logiken". Seit knapp vier Jahren hat sie einen "zweiten Fulltime-Job", den der Mutter. Besonders als Frau in der Wissenschaft müsse man Beruf und Familie vereinbaren. "Wenn man zwei Jahre weg ist, hat sich alles verändert." Nach Italien zieht es sie nur im Sommer: "Ich vermisse das Meer und meine Familie." (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe 29.6.2011)