Diesen Sommer wird niemand die Bretter des Großen Theaters von Pompeji betreten. Was im vergangenen Jahr, zu feierlichen Eröffnung, Maestro Riccardo Muti höchstpersönlich oblag. Doch das ist genau der Punkt.
Es sind keine Bretter, die die Welt bedeuten, sondern Steine, die von der Geschichte erzählen. Sie beugen sich nur schwer den Anforderungen der modernen Schauspielmaschinerie. Der Anwaltschaft von Torre Annunziata (Neapel) lag schon seit 2010 eine Klage wegen unfachgemäßer Restaurierung vor. Nun brachte der Fund eines ganzen Ausstattungsarsenals für die jetzige Saison das Fass zum Überlaufen.
Das Große Theater von Pompeji wurde von der Finanzpolizei gesperrt, geplante Vorführungen abgeblasen, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nicht nur eine Sehenswürdigkeit sollte es sein, sondern auch bespielt werden. Also kam man auf die aberwitzige Idee, das Theater stand- und spielfest zu betonieren, wo man sich früher mit geeigneten mobilen Eisengerüst und Holzbrettern begnügte. Die Asche des Vesuvs hatte dem 200 vor Christus erbauten Amphitheater nichts anhaben können, der Beton schon.
Der ehemalige Kulturminister Sandro Bondi - der nicht zuletzt aufgrund der Einstürze antiker Bauten in Pompeji seinen Rücktritt einreichte - zog den berühmt-berüchtigten Zivilschutz unter der damaligen Leitung von Guido Bertolaso zur Rate. (Gegen Silvio Berlusconis Vertrauensmann laufen übrigens mehrere Ermittlungsverfahren wegen Korruption, sein Name wird auch mit dem Geheimbund "P4" in Verbindung gebracht). Und der gliederte das Theater in die Reihe der Grandi Eventi, also der großen Ereignisse, ein, für die der Zivilschutz direkt und eigenmächtig zuständig ist. So konnte man auch das langwierige Verfahren zur Ausschreibung eines öffentliche Wettbewerbs umgehen: Die Restaurierung wurde, ohne lang zu fackeln, einem Unternehmen aus Pontecagnano anvertraut. Die Kosten stiegen von den vorgesehen 500.000 Euro auf das Elffache, nämlich auf rund sechs Millionen Euro. In das archäologische "Schongebiet" zogen Karawanen von Bauabeitern, die mit Presslufthammer und Schaufelbagger das antike Theater für die moderne Vorführkunst der Ära Berlusconi aufbereiteten.
Ob die Anwaltschaft die Bauherrn des Zivilschutzes zur Verantwortung ziehen und die Verschandlungen des antiken Theaters rückgängig machen kann? Der neue Kulturminister Giancarlo Galan schweigt. Von ihm hatte man sich positive Veränderungen im Kulturdebakel erwartet. Aber noch als die Kultur- scheint ihm die Imagepflege am Herzen zu liegen.Hurtig eilt er von einem Filmfestspiel zum nächsten jagt und mag auf keiner Eröffnung eines auch noch so nebensächlichen kulturellen Ereignisses fehlen. (Eva Clausen aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 29. 6. 2011)