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Die Ungarn machen sich Sorgen um die Verfassung des Landes. Demo gegen die adaptierte Verfassung im April.

Foto: REUTERS/Bernadett Szabo

Budapest - Die ungarische Regierungspartei Fidesz treibt den Umbau des Staates voran. Nun versucht sie auch, das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle zu bringen. Am gestrigen Montag beschloss das Parlament mit der Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungspartei, die Zahl der Verfassungsrichter von elf auf 15 aufzustocken. Da ein Richterposten vakant war, wurden fünf neue Richter gewählt. Es setzten sich ausschließlich Fidesz-Kandidaten durch.

Um die Position der neuen Richter abzusichern, wurde ihr Mandat von neun auf zwölf Jahre verlängert. Das bisherige fragile Gleichgewicht im Verfassungsgericht sei durch das Übergewicht der Wahl der Kandidaten der Partei von Ministerpräsident Viktor Orban gekippt worden, berichteten ungarische Medien.

"Missachtung der parlamentarischen Rechtsregeln"

Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) hatten am Montag im Parlament erklärt, die Wahl der fünf Kandidaten nicht zu unterstützen. Die rechtsradikale Jobbik-Partei lehnte vier der fünf Kandidaten wegen „Parteigebundenheit“ ab. Die oppositionellen Grünen LMP blieben der Abstimmung fern. LMP-Fraktionschef Andras Schiffer kritisierte, bereits der Nominierungsprozess der neuen Verfassungsrichter sei unter "Missachtung der parlamentarischen Rechtsregeln“ erfolgt. Der zuständige Parlamentsausschuss hätte lediglich zehn Minuten beraten, wobei „die Eignung der Richter nicht einmal erwähnt wurde“, so Schiffer.

Der Chefposten bleibt zunächst unverändert. Verfassungsgerichts-Präsident ist weiterhin Peter Paczolay. Ursprünglich hatte es geheißen, dass der Kanzleiminister der ersten Orban-Regierung (1998-2002), Istvan Stumpf, den Vorsitz des Verfassungsgerichts übernehmen soll. Die Sozialisten (MSZP) erklärten am Dienstag, die Wahl von Paczolay zu unterstützen, die voraussichtlich am 4. Juli erfolgen soll.
Fidesz sieht sich Kritik ausgesetzt, eine autoritäre Herrschaftsform anstreben zu wollen. Wegen drakonischer Strafen im neuen Mediengesetz musste bereits die EU-Kommission einschreiten, außerdem peitschte die ungarische Regierungspartei eine neue Verfassung im Schnellverfahren durchs Parlament. Internationale Politiker sind wegen seiner umstrittenen Regierungsführung auf Distanz zum ungarischen Premier Viktor Orban gegangen, der noch bis Donnerstag den EU-Ratsvorsitz innehat.

Ex-Dissidenten: Regierung entfernt sich von westlichen Demokratien 

Eine Gruppe prominenter ehemaliger ungarischer Dissidenten, die einst gegen das kommunistische Herrschaftssystem gekämpft hatten, hat sich mit der Bitte an US-Außenministerin Hillary Clinton gewandt, sich für die Verteidigung der Demokratie in Ungarn einzusetzen, die sie Angriffen durch die rechtskonservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban ausgesetzt sehen. Zu den Unterzeichnern des Appells gehören der Schriftsteller György Konrad, der Budapester Ex-Bürgermeister Gabor Demszky und Laszlo Rajk, Sohn des unter der stalinistischen Diktatur hingerichteten gleichnamigen kommunistischen Politikers.

Clinton wird am morgigen Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch in Ungarn erwartet, um an der Eröffnung des „Tom Lantos Zentrums für Demokratie" teilzunehmen. Der 2008 achtzigjährig verstorbene Holocaust-Überlebende und demokratische Abgeordnete Tom Lantos war das einzige US-Kongressmitglied ungarischer Herkunft und ein engagierter Menschenrechtsverfechter.

„Der historische Besuch von Präsident George Bush 1989 hatte zur Schaffung der ungarischen Demokratie beigetragen. Helfen Sie uns jetzt, sie zu retten", heißt es in dem Brief der Ex-Dissidenten an die amerikanische Außenministerin. Premier Orban, der mit dem Versprechen, die Demokratie zu stärken, an die Macht gekommen sei, entferne sich immer mehr von den westlichen Demokratien und untergrabe die Gewaltenteilung, kritisierten die Verfasser des Appells. (APA)