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Klapperschlangengift könnte "gebremst" werden.

Foto: AP/Alexandre Meneghini

London/Wien - In Österreich ist die Gefahr eher gering - außer für Besitzer und Mitarbeiter von Reptilienzoos: In freier Natur passiert es nur rund 40-mal pro Jahr, dass Menschen von einer Kreuzotter, Sandviper oder Wiesenotter gebissen und danach im Spital stationär behandelt werden.

Tödlich hingegen können auch hierzulande in Terrarien gehaltene Giftschlangen sein. Zwar ist deren Haltung für Privatpersonen verboten. Doch erst im März starb ein Mann in Kärnten, der im Reptilienzoo eines Bekannten von einer Klapperschlange gebissen wurde und trotz sofort eingeleiteter Gegenmaßnahmen verstarb.

Wie viele Menschen weltweit von Schlangen gebissen werden und daran sterben, darüber gibt es nur grobe Schätzungen: Laut einer Studie im Fachblatt "PLoS Medicine" (Bd. 5, Nr. 11) könnten jährlich bis zu 1,8 Millionen Menschen Bissopfer von Giftschlangen werden. Bis zu 94.000 könnten an den Folgen der Attacke sterben. Bei bis zu 400.000 muss eine Amputation vorgenommen werden.

Am höchsten ist das Risiko in Süd- und Südostasien sowie in Afrika südlich der Sahara. Die giftigsten Schlangen - von den insgesamt rund 3000 Arten haben nur gut zehn Prozent Giftzähne - leben indes in Australien: Rekordhalter bei der tödlichen Giftmenge ist der Inlandtaipan, eine weitere Spitzenposition in der Giftrangliste nimmt die Östliche Braunschlange ein.

Wie man deren Bisse - und womöglich auch die vieler anderer Giftschlangen - besser behandeln könnte, haben nun australische Wissenschafter erforscht und kamen dabei auf ein erstaunliches Gegenmittel: Das erfolgreich getestete Präparat wird nämlich normalerweise bei Verletzungen im Analbereich eingesetzt. Der Inhaltsstoff Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin) findet auch als Mittel bei Herzerkrankungen Verwendung.

Laut Dirk van Helden (Uni Newcastle in Callaghan) und Kollegen hat der mit einer Salbe verabreichte Wirkstoff aber auch einen Einfluss auf das Lymphsystem, indem er die Weiterleitung von Lymphe und darin enthaltene Stoffe - wie eben das Gift von Schlangen - beeinträchtigt. So soll mehr Zeit gewonnen werden, um die Patienten behandeln zu können.

Verzögerter Atemstillstand

Wie die Wissenschafter im Journal "Nature Medicine" berichten, enthalten viele Schlangengifte große giftige Moleküle, die nach dem Biss über das Lymphgefäßsystem ins Blut transportiert werden. Das Lymphsystem ist für den Transport von Gewebsflüssigkeit und Eiweißen verantwortlich. Van Helden und Kollegen simulierten zunächst bei Menschen einen Schlangenbiss, indem sie gesunden Probanden eine radioaktiv markierte Substanz in den Fuß spritzten.

Bei Überprüfungen mit Spezialkameras zeigte sich, dass sich die Transportdauer tatsächlich signifikant verlangsamte. In Versuchen an Ratten, die tatsächlich Schlangengift injiziert bekamen, brauchte die Lymphe mit der Salbe um sechs Minuten länger. Der Atemstillstand durch das Gift trat 31 Minuten später ein.

Weil nicht alle Schlangengifte gleich wirken und nicht die gleichen Schäden verursachen, müssten noch andere Gifte mit dem neuen Ansatz untersucht werden, schrieben die Forscher einschränkend. (tasch, APA, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. Juni 2011)