Chris Lewis, Xbox Europe Vice-President

Foto: Microsoft

Microsoft Spielkonsole Xbox 360 ist seit sechs Jahren am Markt und konnte sich insbesondere am nordamerikanischen Markt etablieren. Für 2011 peilt der Softwareriese die weltweite Vorherrschaft an. Wie man das anstellen möchte, erklärte Xbox Europe Vice-President Chris Lewis im Gespräch mit dem WebStandard.

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derStandard.at: Im Rahmen der E3-Pressekonferenz meinte Microsoft, dass man bis Ende des Jahres die meistverkaufte Spielkonsole stellen werde. Ist das angesichts des harten Wettbewerbs in Europa und des ausbleibenden Erfolgs in Japan nicht eine sehr optimistische Prognose?

Chris Lewis: In den USA sind wir bereits die Nummer eins. Wenn wir 2011 weltweit die Nummer eins sein wollen, müssen wir also die Nummer eins in Europa werden. Dafür werden wir weiterhin stark mit unseren Handelspartnern und Entwicklern zusammenarbeiten. Mit 10 Millionen Kinect-Sensoren auf dem Markt und 35 Millionen Xbox Live-Kunden sehen wir uns gut aufgestellt.

derStandard.at: Wurde diese Prognose vielleicht mit dem Wissen über eine eingeplante Preissenkung aufgestellt?

Chris Lewis: Nein. Wir glauben, dass wir derzeit ein gutes Preis/Leistungsverhältnis bieten und setzen auf den Ausbau von Inhalten und Diensten. Wir bieten für alle etwas - seien dies Kooperationen für Kinect-Spiele oder die Integration von Services wie Youtube.

derStandard.at: Kinect ist offensichtlich das Thema für Xbox 360 dieses Jahr. Das hat die Spiele-Vorschau auf der E3 verraten. In vieler Hinsicht erinnert das an die Anfänge der Wii mit einer sehr breiten, wenngleich klar auf Gelegenheitsspieler ausgelegten Strategie. Ist die Xbox 360 die neue Wii?

Chris Lewis: Wir schauen uns nach Innovationen um. Wir zollen Nintendo sehr viel Respekt dafür, was sie für den (Casual-Gaming)-Markt gemacht haben. Wir wollen unsere Zielgruppe erweitern, sind aber weiter unserer Kernspielerschaft verpflichtet.

derStandard.at: Die Wii hat sich gut verkauft, doch abseits von einigen Key-Franchises (zum Großteil aus dem Hause Nintendo selbst) haben sich die Spiele eher schlecht verkauft. Nun ist für Kinect eine Flut von ähnlichen Casual-Games in Sicht. Glauben Sie, Dritthersteller werden diesmal mehr Erfolg haben?

Chris Lewis: Unser Verhältnis von verkauften Spielen zu verkauften Konsolen (Attach Rate) ist weit besser als bei unserer Konkurrenz. Das stimmt uns zuversichtlich für Kinect. Kinect Sports wurde 3,5 Millionen Mal ausgeliefert, Dance Central 2,5 Millionen Mal.

derStandard.at: Haben Sie keine Angst, dass die Fülle an angekündigten Casual-Games gegen die etablierten Franchises wie Kinect Sports untergehen wird?

Chris Lewis: Nicht im Moment. Die Konsumenten sind bereit, für Qualität Geld auszugeben. Sie werden nicht für etwas zahlen, das durchschnittlich ist. Ich denke, das trifft für die gesamte Industrie zu.

derStandard.at: Wie passt dieser Fokus auf Casual-Games mit ihrer loyalen Kernspielerschaft zusammen, die einfach nur mehr Hardcore-Games will?

Chris Lewis: Ich denke, davon haben wir mit Gears of War 3, Forza Motorsports 4, Halo 4 oder Fable Adventures einige gezeigt.

derStandard.at: Ist ein bewegungsgesteuertes Fable oder ein sprachgesteuertes Mass Effect wirklich das, was Konsumenten wollen?

Chris Lewis: Ja, solange die Kinect-Integration einen Mehrwert bietet. Es geht darum, Spielern Entscheidungsfreiheit zu geben. Wir wollen sie nicht zu dieser Erfahrung zwingen, sondern die Erfahrung erweitern.

derStandard.at: Es gibt eine Weisheit, wonach eine neue Technologie eine bestehende Technologie nur ersetzt, wenn sie effizienter ist. Mit meinem Spielcharakter zu sprechen und ihm Sprachbefehle zu geben, wirkt für mich umständlicher, als zwei Tasten zu drücken. Könnte es passieren, dass Eingabemethoden wie Kinect zwar spektakulär aussehen, aber am Ende ungenutzt bleiben?

Chris Lewis: Wissen Sie, diese Spiele basieren darauf, wonach unsere Community verlangt. Wir machen massenweise Konsumententests und derzeit hören wir von Konsumenten, dass sie (Kinect) zur Erweiterung des Spielerlebnisses nutzen wollen.

derStandard.at: Ein Bereich, in dem Microsoft vor allem im Vergleich zum direkten Konkurrenten Sony (PS3) ins Hintertreffen geraten zu sein scheint, ist das Angebot von exklusiven Spielen für die Kernspielerschaft. Zu den drei exklusiven Franchises Halo, Gears of War und Forza gibt es zwar fortlaufend Fortsetzungen, wo bleiben aber die neuen großen Ideen und Werke, die man nicht auch auf anderen Konsolen erleben kann?

Chris Lewis: Wir setzen auf eine Mischung aus eigenen Titeln und Partnerschaften mit Drittherstellern. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass noch einiges kommen wird, womit wir die Kunden begeistern können.

derStandard.at: Kinect hat in der Hacker-Gemeinde großen Zuspruch gefunden. Mit Fun Labs hat Microsoft eine Plattform ins Leben gerufen, über die man Hobby-Projekte auf der Konsole ausprobieren wird können. Wann wird es soweit sein?

Chris Lewis: Wir haben keinen genauen Starttermin festgelegt. Wir haben aber viel positives Feedback dazu erhalten. Der Hunger nach Konzepten, die Kinect abseits von Spielen nutzen, ist groß.

derStandard.at: Konsolen werden zunehmend zum Multimediazentrum. Dazu gehören auch einige Apps für Dienste wie Youtube oder Facebook. Weshalb öffnet Microsoft die Xbox 360 nicht gänzlich für Apps wie man es von Smartphones kennt?

Chris Lewis: Es stimmt, dass Leute ihre Konsole zunehmend für mehr und mehr Funktionen nutzen wollen. Gleichzeitig muss man aber auch eine Ordnung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote über die Benutzeroberfläche verwendbar sind. Aber es wird definitiv mehr kommen und wir bauen unsere Partnerschaften aus - auch für ganz Europa und nicht nur UK.

derStandard.at: Die größte Neuigkeit der E3 war gewiss die Enthüllung Nintendos nächster Spielkonsole Wii U. Was ist Microsofts Antwort darauf?

Chris Lewis: Wir lieben es zu sehen, was unsere Mitbewerber machen. Ich glaube, wir setzen uns im Speziellen durch unsere Online-Angebote ab. Auf unsere Online-Integration kann man neidig sein und ich würde im Moment mit niemandem Platz tauschen wollen.

derStandard.at: Wird die nächste Xbox auch einen Tablet-Controller unterstützen?

Chris Lewis: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 9.8.2011)