Wien/Wiener Neustadt - Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat in der Causa Libro Berufung gegen die Strafhöhe und Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, erklärte Staatswaltssprecher Erich Habitzl. Damit ist auch der Freispruch des WU-Professors und Ex-Libro-Vize-Aufsichtsratschef Christian Nowotny nicht rechtskräftig. Die vier am vergangenen Mittwoch Verurteilten, darunter Ex-Libro-Chef Andre Rettberg, hatten bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet. Für Nowotnys Verteidiger Wolfgang Brandstetter ist die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft "nicht überraschend". Es handle sich um einen "routinemäßigen Vorgang".

Damit wird von allen Seiten mit Spannung die schriftliche Begründung des Urteils von Richterin Birgit Borns erwartet. Der Schöffensenat unter ihrem Vorsitz hatte am vergangenen Mittwoch vier Schuldsprüche in der Causa Libro wegen Bilanzfälschung und Untreue gefällt, vom Vorwurf des Betrugs wurden auch die vier - nicht rechtskräftig - Verurteilten freigesprochen.

Haftstrafen

Ex-Libro-Chef Rettberg erhielt eine Zusatzstrafe von 3,5 Jahren zu seiner bereits rechtskräftigen Verurteilung wegen versuchter betrügerischer Krida aus dem Jahr 2006. Damals wurde er zu drei Jahren, davon 8 Monaten unbedingt, verurteilt. Er hatte versucht, rund 3,63 Mio. Euro vor seinen Gläubigern zu verheimlichen.

Weiters wurde vergangene Woche Ex-Finanzvorstand Johann Knöbl zu vier Jahren Haft verurteilt, während Ex-Aufsichtsratschef Kurt Stiassny und der Ex-Libro-Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann je drei Jahre, davon ein Jahr unbedingt, ausfassten.

Für den heute 53-Jährigen ehemaligen "Mr. Libro" und "Manager des Jahres" Rettberg ist der Schuldspruch ein tiefer Fall. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, muss er insgesamt für vier Jahre und zwei Monate ins Gefängnis. Bisher konnte Rettberg seinen Strafantritt allerdings vermeiden.

Für Stiassny, der unter anderem stellvertretender Aufsichtsratschef von Andritz ist, könnte die Verurteilung laut "Format" auch berufliche Konsequenzen nach sich ziehen: In der nächsten Aufsichtsratssitzung von Andritz soll auch der "Fall Stiassny" ausführlich diskutiert werden, sagte der Aufsichtsratschef von Andritz, Hellwig Torggler, laut dem Wirtschaftsmagazin. Insider gehen davon aus, dass Stiassny noch vor der ordentlichen Hauptversammlung im März 2012 gehen wird, so das "Format".

Damit wird mehr als ein Jahrzehnt nach dem Börsegang des Buch- und Papierhändlers im November 1999 und der zwei Jahre danach erfolgten Insolvenz ein nur vorläufiger Schlussstrich gezogen. Die strafrechtliche Aufarbeitung hatte rund neun Jahre in Anspruch genommen und wurde von zahlreichen Kommentatoren und Beobachtern wegen der langen Dauer kritisiert. Für die Angeklagten wirkte sich die Dauer des Verfahrens allerdings strafmindernd aus, wie Richterin Borns in ihrem mündlichen Urteil ausdrücklich festhielt. (APA)