Sie hat Verkäuferin in einem Fleischgeschäft gelernt. Sie hat im Geschäft ihres ehemaligen Fußballtrainers in Siegen, einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, Blumen verkauft. Und als Berti Vogts, der damalige Trainer der deutschen Nationalmannschaft der Männer, 1996 bei Silvia Neid anrief, arbeitete sie gerade bei der Siegener Zweigstelle des Krankenversicherers AOK.
Für die Fußballspielerin Neid, Gewinnerin von sieben deutschen Meistertiteln, dreifache Europameisterin und 1995 Vize-Weltmeisterin, war Arbeiten selbstverständlich, um sich ihre Leidenschaft Fußball leisten zu können. Sie ist ja auch kein Mann. Und sie hätte nach ihrem Rücktritt 1996 eine Lotto-Annahmestelle oder eine Boutique eröffnet, hätte Vogts nicht gefragt, ob sie sich eine Trainerinnenkarriere beim Damenteam vorstellen könne.
Seit 2005 ist die 47-jährige Blondine mittlerweile Cheftrainerin und Leiterin eines "40-Mann-Unternehmens" , wie sie es selbst nennt. Und in diesem professionellen Umfeld, das auch mehrere Assistenztrainer, einen Torfrau-Coach, Psychologen, Videoanalysten und einen Koch umfasst, braucht sich Neid längst nur noch um Fußball kümmern. Erst kürzlich wurde ihr Vertrag bis 2016 verlängert.
Bei der am Sonntag eröffneten Heim-WM wird von Neid, die an der Seitenlinie gerne auch im eleganten Hosenanzug auftritt, nichts anderes als der dritte Triumph en suite erwartet. 2003 stand sie noch Tina Theune zur Seite. 2007 war sie selbst Chefin, ihr Team kassierte im Turnierverlauf keinen einzigen Gegentreffer.
Neid, die selbst 111 Mal den Teamdress getragen hatte, galt schon als Spielerin als medientauglich. "Sie ist die ideale Frau" , schrieb 1995 die Süddeutsche Zeitung über die 1,66 Meter große Athletin. Und Theune sagte 2005 über ihre Nachfolgerin als Cheftrainerin: "Es kann keine andere geben." Das Team wurde zur Ersatzfamilie für Neid, die selbst Single blieb und darüber nur ungern Auskunft gibt. "Ich trauere da nichts nach."
Nachtrauern will die in Walldürn in Baden-Württemberg geborene Neid auch nicht dem einst abgelehnten Angebot, sich für den Playboy auszuziehen. Sie war Mitte 20, das Magazin bot eine fünfstellige Summe, mehr, als Neid je zuvor verdient hatte. Spielerinnen vom Bundesliga-Klub Bayern München blieben jüngst nicht so standhaft. Doch Sprücheklopfen ist Neids Sache nicht. "Das sind Frauen, die alt genug sind, für sich zu entscheiden" , sagt sie also. (David Krutzler, DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2011)