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Kickende Frauen mussten zu allen Zeiten diverseste Vorbehalte überwinden, wie Exponate der Ausstellung "Verlacht, verboten und gefeiert" in Nürnberg 2006 zeigten. Manche wirken heute skurril, andere werden weiter gepflegt.

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Dass João Havelange einer sei, der sich als "Frauenversteher" wahrnehmen ließe, wird wohl niemand ernsthaft behaupten wollen. In der Geschichte des weiblichen Fußballs wird dem 95-jährigen Brasilianer dennoch ein Erinnerungsplatzerl zu widmen sein. In seiner langen, langen Amtszeit als Präsident verpflichtete er den Weltverband (Fifa) nämlich zum umfassenden ballesterischen Gendern.

Havelange folgte dabei weniger einem moralischen, sondern einem monetären Impetus. 1974, als er das Amt übernahm, war der Männerfußball gerade dabei, als erste Sportart ein veritables Geschäftsmodell zu werden. 1998, als er sich zur Ruhe setzte,war der Frauenfußball auf dem diesbezüglichen Sprung.

Schon in den Achtzigerjahren war die Logik dieses Sprunges klar. Denn nach der erfolgreichen - nur durch den Widerborst der USA etwas beeinträchtigten - globalen Marktpositionierung des Kickens blieb Havelange und seinen Bankberatern nur noch eine expansive Richtung. Die Fifa verpflichtete ihre Verbände, zumindest vier Prozent des Budgets für den Frauenfußball zu reservieren. Havelanges Schweizer Adlatus, der jetzige Fifa-Chef Joseph Blatter, verkündete 1995 im Namen seines Herrn: "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich."

"Nicht nur", wäre dem im Sinne der Wahrheitsfindung hinzuzufügen gewesen. Denn auch die Vergangenheit des Fußballs war zu einem guten Teil weiblich. Beinahe von Anfang an haben Frauen die Schönheiten und Herausforderungen des Fußballspielens für sich entdeckt und reklamiert. 1895 - Österreichs ältester Verein, die Vienna, war gerade ein Jahr alt - kam es in London, im dortigen Crouch End, zu einem viel beachteten "Ladies Football Match". Die Auswahl "North of England" schlug ihre Gegnerin aus dem Süden 7:1. 10.000 sahen zu.

Weder die noch die Spielerinnen rechneten mit dem in weiterer Folge sehr breitgetretenen medizinischen Fachverstand. Solch rüdes Herumkicken gefährde nämlich nicht allein Knöchel, Schienbein und Ähnliches, sondern ausdrücklich "den weiblichen Organismus". Man verstieg sich, so der deutsche Sporthistoriker Dietrich Schulze-Marmeling, sogar dazu, eine gravierende Beeinträchtigung weiblicher Fruchtbarkeit und damit den Fortbestand der Menschheit insgesamt ins Fachgespräch zu bringen.

Aber offenbar nutzte solch gutes Zureden nichts, sodass schon 1902 den Damen das Kicken kurzerhand untersagt wurde. Ein Verbot, das während des Krieges allerdings so weit gelockert werden musste, dass die ballesternden Frauen erneut nachdrücklich ihre sportliche Attraktivität unter Beweis stellen konnten.

Fußball-Fieber

Die medizinische Bedenkenträgerei war angesichts der Tatsache, dass die Fabriken recht bedenkenlos auf die weibliche Arbeitskraft zurückgriffen, etwas obsolet geworden. Werkteams gaben denn nun auch den ballesterischen Ton an. Berühmt wurden vor allem die Dick Kerr's Ladies, die ansonsten Artilleriemunition herstellten. Noch 1920 lockten sie gegen die St. Helenas Ladies 53.000 Zuschauer in den Liverpooler Goodison Park. 61.000 kamen an die Stamford Bridge, um mitzuerleben, wie die Kerr'schen Damen Femina mit 2:1 heim nach Paris schickten. Zu Beginn der Zwanzigerjahre schien es, so der britische Historiker David J. Williamson, "als ob ein Frauenfußball-Fieber das ganze Land ergriffen hat". Und dieses Fieber griff, ganz so wie zuvor schon beim Männerfußball, auf den Kontinent über. 1923 kamen in Genf Les Sportives zur Welt, im Jahr danach schon der Wiener FC Diana.

Die männliche Antwort war wenig charmant. Im Dezember 1921 untersagte die britische Football Association - quasi die Mutter der Fifa, der Fédération International de Football Association - ihren Mitgliedern, die Plätze von Frauen bespielen zu lassen. Mit einer nur noch notdürftig als Argument maskierten Begründung. Fußball sei für Frauen "nicht geeignet" und dürfe deshalb auch nicht gefördert werden. (DER STANDARD PRINTAUSGABE 25.6. 2011)