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"Leider nicht intelligent": Berlusconi.

Foto: Reuters/Rossi

Das zeigen Dokumente der Staatsanwaltschaft. Im Zentrum der Affäre: der verhaftete Geschäftsmann Bisignani.

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Die Affäre um die angebliche Geheimloge "P 4" wirft ein düsteres Licht auf Italiens Politik. Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft legen den Schluss nahe, dass politische Entscheidungen bisher nicht im römischen Chigi-Palast, sondern im Büro des verhafteten Geschäftsmanns Luigi Bisignani getroffen wurden. "Er ist die bekannteste Person, die ich kenne" versichert Berlusconis Staatssekretär Gianni Letta.

Bisignanis Büro war eine Drehscheibe politischer und wirtschaftlicher Interessen, der vorbestrafte 57-Jährige eine Art Beichtvater der Nation. 5000 Seiten umfassen die abgehörten Telefonate. Strafrechtlich relevante Fakten kommen selten vor. Dafür entlarven die Abhörprotokolle die als "partito dell'amore" gepriesene Regierungspartei als Schlangennest und Hort unzähliger Intrigen.

"Berlusconi ist leider nicht intelligent" , beklagt sich Umweltministerin Stefania Prestigiacomo. Auch ihre Ministerkollegin Mara Carfagna bekommt ihr Fett ab: "Sie macht mit Berlusconi einige Dinge und er verzeiht ihr alles." Unterrichtsministerin Mariastella Gelmini nennt Fraktionsführer Fabrizio Cicchitto einen "Trottel, den man hochgehen lassen muss" , Finanzminister Giulio Tremonti einen "Verrückten" . "Dabei habe ich mich für ihn prostituiert" , klagt die Ministerin. Außenminister Franco Frattini definiert seine Ministerkollegen von der Nationalen Allianz als "Pasdaran, die die Partei zerstören, nur um ihre Haut zu retten" . Bisignani bezeichnet Tourismus-Ministerin Michela Brambilla als "ausgesprochene Nutte" .

Premier Silvio Berlusconi zeigt sich nach Aussagen enger Mitarbeiter "enttäuscht und irritiert" über die Schlammschlacht in seiner Partei. Nun soll die Notbremse gezogen werden. Justizminister Angelino Alfano will den Abdruck "strafrechtlich nicht relevanter Abhörprotokolle" per Gesetz verbieten. Frattini kündigte "noch vor August" eine entsprechende Vorlage an.

Ob sie in dem seit Monaten gelähmten Parlament eine Mehrheit findet, darf bezweifelt werden. Gewiss: Viele Telefonmitschnitte in den Justizfällen Bisignani und Ruby haben rein privaten Charakter. Doch deutlicher könnte die Kluft zwischen Realität und Fiktion kaum sein. Gilt in der Partei Kritik an Berlusconi als Majestätsbeleidigung, sparen seine Höflinge privat nicht mit verächtlichen Urteilen über den Cavaliere. Hinter den Kulissen ist der Kampf um die Nachfolge bereits im Gang. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2011)