Freiburg - Im Gegensatz zu modischen Filmen mit wackeliger Handkamera liefert unser Auge in der Regel auch dann, wenn wir uns bewegen, Bilder, die scharf sind und nicht schwanken. Dafür muss es aber eng mit dem Gleichgewichtssinn gekoppelt sein. Ist die Abstimmung gestört, sehen wir unscharf und uns wird schwindelig. Deutsche Forscher konnten nun eine wichtige Stufe des Zusammenspiels aufklären: Ob Nervenzellen Informationen über den Beginn oder die Dauer einer Kopfbewegung an die Augenmuskeln leiten, hängt von einem einzigen Membran-Kanaltyp und der Vernetzung der Zellen untereinander ab.

Nur drei Verarbeitungsschritte im Gehirn sind nötig, um Daten aus dem Gleichgewichtsorgan zu verarbeiten und an die Augenmuskeln zu leiten. Dadurch kann sich das Sehsystem in Sekundenbruchteilen an Kopfbewegungen anpassen. Während im ersten und letzten Schritt die Informationen vor allem von den Sensoren weg beziehungsweise an die Muskeln hingeleitet werden, findet im zweiten Schritt die entscheidende Verarbeitung der Informationen statt. Beteiligt daran sind Nervenzellen mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften: der eine Typ ist nur während des Startzeitpunkts einer Bewegung aktiv. Der andere Typ feuert gleichmäßig während der gesamten Bewegung.

Simulierte Frösche

Wissenschafter um Stefan Glasauer und Hans Straka von der Ludwig-Maximilians-Universität München erstellten am Computer Simulationen, welche die Informationsverarbeitung der Nervenzellen nachbildeten. Für ihre Studie, die im "Journal of Neuroscience" veröffentlicht wurde, nutzten sie das bereits gut untersuchte Gleichgewichtsorgan bei Grasfröschen - im Modell ließen sie dann die simulierten Frösche hüpfen.

Zuerst untersuchten die Forscher in einer simulierten Einzelzelle, welchen Einfluss bestimmte Membrankanäle auf die Weiterleitung eingehender Reize haben. Dabei zeigte sich, dass zwei Versionen eines Kanalproteins den Zellen unterschiedlichen Funktionen verleihen: Zellen mit dem einen Kanaltyp erwiesen sich als geeignet für die Weiterleitung des genauen Startzeitpunkts, während Zellen mit dem anderen Typ für die gesamte Dauer des Reizes feuern. In einer Simulation mehrerer Nervenzellen fanden die Forscher zudem, dass die Verschaltung der Zellen eine wichtige Rolle für die Verarbeitung spielt. 

Anwendungsgebiete

Von den Forschungsergebnissen könnten unter anderem Patienten mit Kleinhirnschädigungen profitieren. Betroffene können bei schnellen Kopfbewegungen nicht mit den Augen gegensteuern, gleichmäßige Bewegungen aber richtig verarbeiten. Möglicherweise liegt dabei die Schädigung eines der Zelltypen vor. Auch für wackelfreie Kamerasysteme, wie sie zum Beispiel in Fahrerassistenzsystemen in Autos oder Hubschraubern eingesetzt werden, könnte die hocheffiziente neuronale Verarbeitung als Vorbild dienen. (red)