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Timoschenko-Fans protestieren vor dem Gericht.

Foto: APA/EPA/Dolzhenko

Wien/Kiew - Beim Auftakt des Gerichtsprozesses gegen die ehemalige ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko ging es am Freitag heiß her. Die frühere Regierungschefin Timoschenko griff den Vorsitzenden Richter an, der erst seit zwei Jahren sein Amt ausübt, und bezeichnete ihn als Marionette des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Timoschenko bezeichnete den Prozess wegen Amtsmissbrauchs gegen sie politisch motiviert. "Dieser Prozess wird auf Befehl von Janukowitsch geführt. Es ist ein Versuch, Rache zu üben und mich als Konkurrenz auszuschalten", sagte Timoschenko, die auf ihrem Tisch eine Bibel, ein Christus-Amulett und eine Rose drapierte.

Timoschenko, die von Dezember 2007 bis März 2010 zum zweiten Mal Regierungschefin war, wird beschuldigt, beim Abschluss des Gasvertrages mit Russland im Jahr 2009 ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Der Vertrag, der den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine beendete, habe einen Schaden von mehr als 1,5 Milliarden Grywnia (rund 130 Millionen Euro) verursacht. Die Ukraine zahlt derzeit 297 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas. Laut Janukowitsch sollte der Preis jedoch unter 200 US-Dollar liegen.

Bei einer Verurteilung drohen der Oppositionspolitikerin bis zu zehn Jahre Haft. "Sie wollen mich einsperren, aber es wird ihnen nicht helfen. Meine Stimme wird aus dem Gefängnis noch lauter sein als jetzt, und die ganze Welt wird mich hören", sagte die Chefin der Oppositionspartei Baktiwschtschina, die bei der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr Janukowitsch unterlag. Sie sei als Premierministerin berechtigt gewesen, ohne Vollmachten und Direktiven zu verhandeln, verteidigte sich Timoschenko.

Unmenschliche Bedingungen

In eine Sauna verwandelte sich der nicht klimatisierte Verhandlungssaal des Petscherski Gerichtes, in dem sich etwa 100 Menschen drängten. "Ich kann keine politische Bewertung des Falles abgeben, aber die Umstände, in denen der Prozess abgehalten wird, sind unmenschlich", sagte der EU-Botschafter in Kiew, José Manuel Pinto Teixeira. Bei der nächsten Verhandlung werde man Klimaanlagen aufstellen, sagte eine Gerichtssprecherin.

Auf Timoschenko wartet bis zur Präsidentenwahl 2012 ein wahrer Prozessmarathon, da sie auch Geld aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten für Pensionszahlungen missbraucht und Krankenwagen zu teuer eingekauft haben soll. Wladmir Fesenko, Direktor des Zentrums für angewandte politische Forschung Penta, rechnet damit, dass Timoschenko eine bedingte Haftstrafe erhält. Im Falle eines harten Urteils und sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen sei eine Wiederholung der Massenproteste am Maidan, bekannt als Orange Revolution, möglich. (ved/DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2011)