Jeder Protest muss die Welt neu erschaffen. Ein Ziel definieren, eine Methode finden. - Vier Monate ist es her, dass sich, ausgehend von der Wiener Uni für angewandte Kunst, ein junges Künstlerkollektiv im Rahmen eines "Kunst-Forschungsprojekts" formierte, den Kadaver der Revolution im Postaudimaxismus zu sezieren.

Studierende und Künstler waren aufgerufen, Konzepte zur begrifflichen Dichotomie Protest und Stillstand einzureichen, um im gemeinsamen Reflektieren und - ganz im Sinne einer fröhlichen Wissenschaft - die Frage nach den spätkapitalistischen Bedingungen des nachhaltigen Aufstands neu zu stellen.

Dem bemerkenswerten Output dieser Denkanstrengung ist in den kommenden zwei Wochen eine Ausstellung gewidmet. "Was sich uns gegen Ende immer stärker aufgedrängt hat, war der Gedanke der Utopie", trifft Alice Neusiedler, Protestdenkerin der ersten Stunde, den Kern der Ideenschau, die sich nicht nur durch die Vielgestaltigkeit ihrer Formate, sondern auch durch eine intensive Arbeit am Begriff auszeichnet: Neben Installationen, performativen Darstellungen sowie Video- und Filmarbeiten gibt es Essays zum Problem eines zeitgenössischen Utopieverständnisses und utopische Reiseberichte in der Tradition von Swift zu lesen.

Aufbruchstimmung allerdings herrscht im ausrangierten Gemäuer einer ehemaligen Spenglerei in Rudolfsheim-Fünfhaus nicht. Die Vernissage wirkt nüchtern, die Künstler erschöpft, ihre Arbeiten zurückhaltend, vorsichtig. Macht kaputt, was euch kaputtmacht? - Zeiten wie diese sind vorüber.

Vor dem Eingang stehen die Grünmandatare Karl Öllinger und Wolfgang Zinggl. Im Hinblick auf das Protestieren sei Österreich in einer speziellen Situation, meint Öllinger, "wir zeichnen uns nicht gerade durch eine ausgeprägte Protestkultur aus" - und wenn Utopien entwickelt würden, dann meist negative, "Utopien der Ausgrenzung und des Ressentiments". - Die jungen Protestdenker haben noch viel zu tun. (zecdo/ DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2011)