Wien/Budapest - Österreichs Fußball bietet allerweil allerlei Ansatzpunkte für harsche Kritik. Umso mehr gilt es für Kritiker, auch das Umgekehrte wahrzunehmen. So die mittwöchige Veranstaltung in Hütteldorf, bei welcher die Rapid sich mit sich selbst konfrontierte. Zum Nutzen aller.

Umso wichtiger aber erscheint es, sich gerade ballesterisch auch in die scheinbar inneren Angelegenheiten des nahen Auslandes einzumischen, auch wenn es aus einem bedauerlichen Sprachdefizit dazu der - so würde Strache-úr das in Brüssel wohl sagen - Nestbeschmutzung durch waschechte Ungarn bedarf.

Von einem solchen ist dem Standard mit einer gewissen Fassungslosigkeit berichtet worden, dass unlängst im Budapester Parlament, in dem offenbar aus Mangel an anderen Themen auch die Fährnisse des labdarúgó debattiert werden, ein gewisser Dr. Balázs Lenhardt Folgendes gemeint hat: "Das fußballliebende Ungarn hatte aber auch sonst Grund zur Freude (neben dem Meistertitel für Sturms Europacupgegner Videoton aus Viktor Orbáns Geburtsstadt Székesfehérvár; Anm). MTK rutschte in die zweite Liga ab. Und ich muss sagen, dass das bei den ungarischen Fans - unabhängig von Klubzugehörigkeit - ungeteilte Freude hervorrief, da der Stolz von Lipótváros einen Fremdkörper im ungarischen Fußball bildet."

Jetzt kann man natürlich sagen: Okay, der Dr. Lenhardt ist halt einer von dieser eh schon wissen Jobbik, da braucht man nicht jedes Wort auf die Waagschale zu legen. Weil da müsste man ja dann auch "Ostküste" und "gewisse Kreise" und so weiter auch abwägen.

Freilich hat der Dr. Lenhardt offenbar eines vergessen: MTK, der "Kreis ungarischer Körperertüchtiger", ist keine rein ungarische Angelegenheit. Die Verunglimpfung der MTK wäre - wäre Österreich nicht einschlägig vorbelastet oder mit der Türkei beschäftigt - auch eine Angelegenheit für Außenminister Spindelegger. Denn MTK ist ein unveräußerlicher Teil österreichischer Fußballgeschichte: Jenõ und Kálmán Konrád, Alfréd Schaffer, Béla Guttmann und vor allem: Jimmy Hogan.

Die drei erstgenannten formten die jetzt den 100er gefeiert habende Wiener Austria. Guttmann den ersten mitteleuropäischen Profimeister. Und der Engländer Hogan den "calcio danubiano", jene Art des Kickens also, die durch den FC Barcelona wieder hochmodern geworden ist. Das alles zählt im heutigen Ungarn offenbar wenig. Absteiger MTK ist ja "der Stolz von Lipótváros" Und Lipótváros meint genau das, was in Wien "Leopoldstadt" heißt. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 24. Juni 2011)