Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP

So schnell kann ein Land aus den Katastrophenschlagzeilen gelangen: Als Enda Kenny Donnerstag zu einem Vorabtreffen der Europäischen Konservativen in Brüssel eintraf, strahlte er übers ganze Gesicht. Niemand stellte dem irischen Premier, dessen Land - wie Griechenland - nach wie vor auf der Kippe steht, unangenehme Fragen. Kenny scherzte mit Journalisten und entschwand zu den Beratungen. 

Ganz anders verlief der Auftritt von Antonis Samaras. Der sichtlich nervöse Chef der konservativen Opposition aus Griechenland wurde mit Fragen regelrecht bombardiert: Warum er die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit ablehne? Ob er keine Angst habe, Griechenland in die Pleite zu treiben? "Wir sind für einen Sparkurs. Aber Steuererhöhungen inmitten eines gewaltigen Abschwungs sind der falsche Weg", stammelte Samaras gequält. Finanzminister Venizelos kündigte am Donnerstag eine Solidarabgabe von ein bis vier Prozent, für Politiker und höhere Beamte fünf Prozent, sowie eine Extraabgabe von 300 Euro im Jahr für Freiberufler und Pensionisten an.

Obwohl das umstrittene zweite Hilfspaket von EU und Währungsfonds (IWF) für Athen nicht zur Entscheidung anstand, überschattete das Thema Griechenland das Gipfeltreffen der Staats und Regierungschefs total. Zwar hatte der sozialistische Premierminister Giorgos Papandreou eine Vertrauensabstimmung im Parlament relativ glatt überstanden und dann das von EU und IWF verordnete harte Spar- und Strukturreformprogramm von der Regierung beschließen lassen.

Entscheidend ist nun, ob das Parlament dem Sparpaket mehrheitlich zustimmt. Sonst kann die nächste Hilfstranche von zwölf Milliarden Euro im Juli nicht ausbezahlt werden. Griechenland wäre pleite.

Die europäischen Konservativen versuchten, auf Samaras so viel Druck wie möglich aufzubauen, auf dass dieser einen nationalen Schulterschluss in seinem Land einlenke und die Reformen bis zum Jahr 2015 durchgehalten werden. 

Bis dahin würde das Land vom Markt genommen. Eine Entscheidung, ob neben der bereits 2010 gewährten Hilfe von 110 Milliarden Euro eine weitere im Umfang von 120 Milliarden Euro folgen wird, war beim Gipfel nicht zu erwarten. Das soll beim EU-Finanzministertreffen am 3. Juli geschehen - abhängig von Athen.

Raschere Regionalförderung

Wie bis dahin vorzugehen ist, darüber gab es intensive Gespräche zwischen Papandreou, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy. Dabei spielte die Beteiligung privater Gläubiger am Hilfspaket eine Rolle. Offiziell gab es über die Gespräche mit den Banken, die federführend von den Finanzministerien in Berlin, Paris, Amsterdam und Brüssel geführt werden, keinerlei Information. Laut Diplomaten dürfte es aber konkrete Fortschritte geben.

So sollen sich erste Banken bereiterklärt haben, einen Zahlungsaufschub zu gewähren. Zu den Instituten zählt die französisch-belgische Bankengruppe Dexia, ebenso italienische Geldhäuser und die französische Credite Agricole. Bei der Dexia liegen schon erste Zahlen auf dem Tisch: Von ihren Griechen-Anleihen von 5,4 Milliarden will Dexia offenbar Darlehen im Wert von 4,2 Milliarden in die

Laufzeitverlängerung einbeziehen.

Ein weiterer Hoffnungsschimmer für Athen ist der Vorschlag des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, eine Milliarde Euro aus der EU-Regionalförderung auszuzahlen, und zwar ohne die dafür an sich nötige Kofinanzierung durch Athen.

Seit dem Beitritt Griechenlands in die EU 1981 sind nach Angaben der Kommission 52 Milliarden Euro aus EU-Strukturfonds an den Mittelmeerstaat geflossen. In der laufenden Finanzperiode sind für Athen weitere 20,4 Milliarden vorgesehen. Allerdings hat Griechenlands Verwaltung große Probleme, das Geld zeitgerecht abzurufen - von den 20,4 sind bisher nur 4,9 Milliarden geflossen.  (Thomas Mayer und András Szigetvari aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 26.4.2011)