Reduzierte, aber eindringliche Symbolsprache: "An Endless Journey" von Alfred Tarazi.

Foto: Krinzinger Projekte

Wien - 16 Jahre Bürgerkrieg im Libanon forderten nicht nur 200.000 Tote, sie hinterließen auch 1,6 Millionen Quadratmeter Ruinen im Zentrum Beiruts. Die Vergangenheit des Landes in Form von tausenden Tonnen Schutt lud man zur Landgewinnung im Meer ab. Ein 60 Hektar großes Areal entstand, das jedoch ebenso wie fast 70 Prozent der Innenstadt der privaten Gesellschaft Solidere gehört. Profit auf den Trümmern des Krieges machen? Ein ebenso absurdes wie raffgieriges Szenario, das die Regierung unter dem 2005 ermordeten Premier Hariri möglich machte.

Der Bezug zur Arbeit von Alfred Tarazi, der den Konflikt als Kind erlebte, ist simpel: Am Areal könnte das von ihm geplante Memorial A Silent Square sinnvoll Platz finden. Tarazi will einen Erinnerungsort für die Opfer des Krieges schaffen. Gleichzeitig ist das Neuland auch ein unmöglicher Ort für das Projekt: Die benötigte Fläche, rund 290.000 Quadratmeter, müsste er um viele Millionen kaufen.

Es ist eine Sache, ein solches Projekt nicht zu fördern; nicht die Notwendigkeit einer "offiziellen" Erinnerung zu erkennen ist die andere. Die wahre Katastrophe im Libanon, sagt der Künstler, sei, dass wenig getan wurde, um aus den bitteren Erfahrungen des Krieges zu lernen. Der Krieg bleibe so nur eine dunkle, weitgehend unhinterfragte Erinnerung in den Köpfen der Menschen.

Genau dort setzt Tarazi an: Vergleichbar mit dem Stelenfeld Peter Eisenmans in Berlin soll jedes Opfer durch einen zwei Meter hohen Stab repräsentiert werden. An der Spitze soll ein Licht abwechselnd rot und weiß blinken. Sobald die Erinnerung personalisiert wird, wenn jemand den Namen eines Toten oder Vermissten einritzt, wird der Stab nur noch Weiß leuchten.

Mit einer Reihe großformatiger Arbeiten auf Papier begleitet er sein Projekt und transportiert in eindringlicher Symbolsprache seine Idee weiter. Auch die Ausstellung ist eine Art Botschafter seiner Forderung nach A Moment of Truth in seiner Heimat. (Anne Katrin Feßler/DER STANDARD, Printausgabe, 22./23. 6. 2011)