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Am liebsten mit Hut: Zahi Hawass, Ägyptens Minister für Altertümer.

Foto:Amr Nabil, File/AP/dapd

Seinen Hut hat er heute zwar nicht auf. Dafür verteilt seine Assistentin unter den geladenen Journalisten Fotos von ihm samt Hut. Und weil niemand den schon häufig geäußerten Vergleich mit Indiana Jones zu ziehen, tut er es selber. "Ich bin ein Jeanstyp, kein Anzugträger. Einer, der am liebsten den ganzen Tag gräbt", sagt Zahi Hawass, Ägyptens Minister für Altertümer. Ein Amt, das er, wie er kokett anfügt, gern wieder los wäre.

Hawass ist der Popstar unter den Archäologen, eine Mischung aus Komiker und Choleriker, mit lauter Stimme, schmutzigem Grinsen, vielen Feinden und einem Hang zu medienwirksamen Auftritten. Jetzt referiert Hawass mit lauter Stimme über seine jüngsten Erfolge. Die meisten Exponate, die während der Jänner-Revolution aus dem Ägyptischen Museum in Kairo gestohlen wurden, seien wieder da, bis auf 31 "unbedeutende Stücke". Die Revolution und diese Plünderungen, die er erst zwei Wochen später eingestand und so die Ermittlungen verzögerte, brachten ihn zwar ins Wanken. Gefallen ist er nicht. Und so twittert und flickert er in die Welt hinaus, 18.500 Fans hat er auf Facebook, täglich versorgt er sie mit Geschichten und Fotos. Archäologen aus dem Ausland würden ihn bitten, im Amt zu bleiben, reiche Menschen Spenden offerieren, um den Schaden, den die Revolution Ägyptens Kunstschätzen zufügte, auszugleichen. Wie zum Beweis kommt ein Telefonanruf aus den USA von einem gewissen James, der 100.000 Dollar loswerden will. "Oh, die Ausländer lieben mich", grinst Hawass.

Im eigenen Land ist es mit seiner Beliebtheit nicht so weit her. Im Schatten von Ägyptens ehemaligem Diktator Hosni Mubarak habe sich Hawass nach Aussage seiner Kritiker an Korruption und Amtsmissbrauch beteiligt. Im März musste er deshalb nach Studentenprotesten vorübergehend sein Amt räumen. Doch schon drei Wochen später holte ihn der neue ägyptische Präsident Essam Sahraf zurück. Und so mancher frohlockte, Glanz und Gloria sei zurück in der Archäologie. Wegen Korruption und einer Pachtvertragsaffäre drohen ihm als Strafe Amtsenthebung und ein Jahr Zwangsarbeit. Doch das Gerichtsurteil ist noch nicht rechtskräftig.

Und so entscheidet er als Generalsekretär der ägyptischen Altertumsverwaltung weiterhin, wo und in welchem Umfang gegraben wird, wie die Exponate präsentiert werden. Dass er sich damit wie der ungekrönte König der ägyptischen Antike fühlen darf, symbolisiert am besten Hawass Bürostuhl: ein überdimensionales Stück, dessen Lehne gut eineinhalb Meter hoch ist.

Doch Hawass gilt auch als kompetenter Archäologe. Er hat mehrere archäologische Bücher geschrieben, zahlreiche Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden erhalten. Er entdeckte das Tal der Golden Mumien sowie die Gräber der Pyramidenbauer. Schlagzeilen machte er, als er eigenmächtig und ohne Unterschrift des damaligen Präsidenten zuletzt im Jänner die Preußische Kulturstiftung aufforderte, die im Neuen Museum in Berlin ausgestellte Büste der Nofrete zurückzugeben. Er werde bald dokumentieren können, dass die Deutschen die Büste zu Unrecht besäßen. Befürchtungen um deren Sicherheit wischt Hawass beiseite: "Wir Ägypter sind ja nicht die Piraten der Karibik", sagt er. "Aber nach den Plünderungen wäre es vielleicht ratsam, die Wachen vor den Museen zu bewaffnen."

Ausgestellt werden soll die Nofretete im Großen Ägyptischen Museum, das auf dem Giza-Plateau zur Entlastung des überfrachteten Ägyptischen Museums entsteht. Den Grundstein für das 550 Millionen teure Projekt legte noch Hosni Mubarak gemeinsam mit Hawass.100.000 Exponate sollen dort ab 2015 ausgestellt sein. Bisher stehen nur die Laboratorien.

Fortschritte behauptet Hawass in der seit 2009 andauernden Suche nach dem Grab von Kleopatra und Marcus Antonius unter dem Tempel Taposiris Magna bei Alexandrien: "Wir sind nahe dran. Es kann sein, dass es bald eine Überraschung gibt."

Kurz vor der Fertigstellung ist das Museum der Zivilisation in Kairo. Hier soll die gesamte ägyptische Geschichte präsentiert werden. Der Minister will hier noch in diesem Jahr eine "Revolutionsausstellung" initiieren. Gerade hat er eine Pressemitteilung verfasst: Die Blutspur, die einer der Museumsplünderer beim Einschlagen der Scheibe hinterließ, werde für mindestens zehn Jahre bewahrt, heißt es darin. Was Zahi Hawass zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: Das Museumspersonal hat gründlich saubergemacht. Vom Blut gibt es keine Spur mehr. (Andrea Jeska aus Kairo/DER STANDARD, Printausgabe, 22./23. 6. 2011)