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Der Wittgensteinpreisträger 2011 Gerhard Herndl widmet sich den Mikroorganismen in der Tiefsee. Im Vorjahr wurde der Meeresbiologe bereits mit dem ERC-Advanced Grant ausgezeichnet.

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Der Biologe und stellvertretende wissenschaftliche Direktor des Institut für Molekulare Pathologie (IMP) Jan-Michael Peters in seinem Labor. Peters widmet sich vor allem der Zellteilung, in Zukunft will er dabei helfen die Frage zu klären, wie die Erbinformation in den Chromosomen verpackt ist.

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Wien - Der Wittgenstein-Preis geht heuer an die beiden Biologen Gerhard Herndl vom Department für Meeresbiologie der Universität Wien und Jan-Michael Peters vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Das gaben Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Christoph Kratky, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien bekannt. Mit einer Dotierung von 1,5 Millionen Euro ist die als "Austro-Nobelpreis" gehandelte  Auszeichnung der höchste wissenschaftliche Förderungspreis des Landes. Gleichzeitig wurden acht Nachwuchsforscher mit den mit jeweils bis zu 1,2 Mio. Euro dotierten START-Preisen ausgezeichnet.

Gerhard Herndl (55) ist seit 2008 Professor für Meeresbiologie und Leiter des gleichnamigen Departments an der Uni Wien. Jan-Michael Peters (48) ist Senior Scientist am IMP und dessen stellvertretender wissenschaftlicher Direktor. Der Wittgenstein-Preis steht ausschließlich für Forschungsarbeiten, insbesondere die Anstellung junger Wissenschafter zur Verfügung.

Marine Mikroorganismen...

Spezialgebiet Herndls sind die marinen Mikroorganismen und deren Rolle in den Ozeanen. Hier hat er essenzielle Beiträge zu einem besseren Verständnis etwa der Stoffwechselvorgänge der Tiefsee-Mikroorganismen und deren Rolle in den Stoffkreisläufen der Weltmeere geleistet. Beispielsweise hat er die Entstehung des Phänomens "Marine Snow" in der Oberen Adria geklärt, das im Zusammenhang mit Algenblüten auftritt.

Das Preisgeld erlaube "einen gewissen Freiraum und ohne Geldmangel Forschung zu betreiben", sagte Herndl. Einerseits will er die Mittel für die kostspieligen Schiffseinsätze verwenden, andererseits für molekularbiologische Analysen der in den vergangenen Jahren gesammelten Proben. Eine spezielle Forschungsfrage hat Herndl auch: So wie pflanzliches Plankton in Oberflächengewässern Licht als Energiequelle verwendet, um organisches Material herzustellen, gelingt dies auch Mikroorganismen in der völligen Dunkelheit der Tiefsee. Als Energiequelle dazu nutzen sie statt Sonnenlicht etwa Ammonium, "aber das reicht bei weitem nicht aus, um das, was wir an organischer Kohlenstoffbildung messen, zu erklären", so Herndl, der sich auf die Suche nach den anderen Energiequellen machen will.

... und Zellteilung

Peters hat sich die vergangenen Jahre vor allem mit den Vorgängen bei der Zellteilung beschäftigt, speziell der Frage, wie die Tochterzellen eine idente Kopie der Chromosomen erhalten. Wenn dies nicht der Fall ist, können Krankheiten wie Krebs und Behinderungen entstehen. Seine Arbeiten haben wesentlich zum Verständnis der molekularen Mechanismen beigetragen, die dabei eine Rolle spielen. Insbesondere hat Peters und sein Team die Funktion von Proteinkomplexen aufgeklärt, die bei diesen Vorgängen eine zentrale Rolle spielen.

Bei diesen Arbeiten hätten sich "für uns neue Themen erschlossen, die vielleicht noch interessanter sind", sagte Peters. Einige Proteine, die eine wichtige Rolle bei der Zellteilung haben, hätten auch eine wichtige Funktion bei der strukturellen Organisation des Genoms. "Wir sind momentan in der erstaunlichen Situation, dass wir das menschliche Genom vollständig entschlüsselt und auch einiges Wissen über die Funktion einzelner Gene haben, aber wie diese Information in den 46 Chromosomen verpackt ist, ist noch erstaunlich wenig verstanden", so Peters.

Die DNA ist ja nicht irgendwie in den Zellkern gestopft, sondern in hoch komplizierter Weise in den Chromosomen angeordnet. Aus guten Gründen, denn diese Struktur hat wesentlichen Einfluss darauf, welche Gene aktiv und damit verwendet werden können oder nicht. Vor allem der bei der Zellteilung wichtige Proteinkomplex "Cohesin" hat auch eine wichtige Rolle dabei, wie die DNA verpackt ist. Und das soll ein neuer, mit dem Wittgensteinpreis finanzierter Forschungsschwerpunkt Peters werden.

Acht neue Nachwuchsforscher im START-Programm

Neben dem Wittgenstein-Preis wurden aus 56 Bewerbungen acht Nachwuchsforscher in das START-Programm aufgenommen. Mit der höchstdotierten und anerkanntesten Förderung für Nachwuchsforscher sollen die ausgezeichneten Wissenschafter in den nächsten sechs Jahren finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschung planen und eine eigene Arbeitsgruppe auf- bzw. ausbauen können.

Den START-Preis 2011 erhalten: Peter Balazs, Institut für Schallforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW); Agata Ciabattoni, Institut für Computersprachen, Technische Universität (TU) Wien; Sebastian Diehl, Institut für Theoretische Physik, Universität Innsbruck; Alwin Köhler, Department für Medizinische Biochemie, Medizinische Universität Wien; Thomas Müller, Institut für Photonik, TU Wien; Peter Rabl, Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, ÖAW; Michael Sixt, Institute of Science and Technology Austria (IST Austria); Philip Walther, Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, Universität Wien. (red/APA)

=> Zur Person: Gerhard Herndl und Jan-Michael Peters

Gerhard Herndl: Meeresbiologe mit Bewegungsdrang

In Österreich wird nach Ansicht des Meeresbiologen Gerhard Herndl sein Fach verklärt gesehen. Viele würden das Meer nur vom Urlaub her kennen, aber "Meeresbiologie hat nichts mit Herumschnorcheln zu tun, das ist Wissenschaft", sagte der Wittgenstein-Preisträger 2011. Konkret bedeute das auch bei Windstärke 12 am Nordatlantik unterwegs zu sein, "es ist einem schlecht, die Arbeit ist mühsam". Dennoch widmet sich der 55-jährige Biologe mit Leidenschaft seinem Spezialgebiet, der marinen Mikrobiologie, für die er im Vorjahr auch eine hoch dotierte Förderung des European Research Council (ERC) bekommen hat.

Von der klassischen Meeresbiologie mit größeren Organismen hat sich Herndl schon Anfang der 1980er Jahre ab- und den Mikroorganismen zugewandt. In seinem Fokus steht seither der Lebensraum der Tiefsee, der immerhin 80 Prozent des Gesamtvolumens der Ozeane aus macht, und wo rund 75 Prozent aller marinen Mikroorganismen leben. Und zwar unter Bedingungen wie 500 bar Druck in 5.000 Meter Tiefe und Temperaturen von durchschnittlich nur zwei Grad Celsius. Dass Bakterien auch unter solche widrigen Umständen funktionieren und beispielsweise Enzyme produzieren, macht sie und diesen Lebensraum auch für biotechnologische Anwendungen interessant.

Herndl hat in seiner mehr als 25-jährigen wissenschaftlichen Karriere essenzielle Beiträge zu einem besseren Verständnis mikrobieller Vorgänge und Zusammenhänge in den Weltmeeren geleistet. Seine Forschungen haben dazu geführt, dass Lehrbücher umgeschrieben werden mussten. So hat er etwa die Entstehung des Phänomens des "Marine Snow" in der Oberen Adria, der in Zusammenhang mit Algenblüten auftritt, geklärt.

Das Interesse an der Zoologie wurde Herndl, geboren am 26. Mai 1956 in St. Pölten, schon in der Familie vermittelt: sein Vater war Hobby-Ornithologe, der seinen Sohn von klein auf seine Beobachtungstouren mitnahm. Zur Meeresbiologie kam er dann durch Bücher und Filme der beiden populären Meeresforscher Hans Hass und Jacques-Yves Cousteau. Herndl studierte Zoologie an der Uni Wien und ging nach seiner Promotion im Jahr 1982 als Postdoc an das renommierte Scripps Institution of Oceanography in San Diego (US-Bundesstaat Kalifornien).

Zurück in Wien musste sich Herndl als Forschungsassistent von Projekt zu Projekt weiterhanteln, bekam aber von seinem Mentor Jörg Ott viel Freiraum und auch als Drittmittelangestellter schon eine eigene Arbeitsgruppe. 1994 klappte es dann mit einer Anstellung an der Uni Wien. Doch schon drei Jahre später wechselte er als Leiter der Abteilung für Biologische Ozeanographie an das Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ). 1999 folgte dann noch eine Professur für Biologische Ozeanographie an der Universität Groningen in den Niederlanden.

2008 stand Herndl dann vor der Wahl, einen Ruf nach Wien oder Kiel anzunehmen. Er entschied sich aufgrund der, wie er sagt, "tollen mikrobiellen Ökologie" für Wien. Dort hat er seither eine Professur für Meeresbiologie und Aquatische Biologie am Department für Meeresbiologie der Uni Wien inne, hält die Verbindungen zum NIOZ aber noch als "Adjunct Senior Scientist", was ihm etwa den wichtigen Zugang zu Schiffen ermöglicht.

Herndl hat nach eigenem Bekunden hohen "Bewegungsdrang", den er üblicherweise beim Tennisspielen auslebt. Wenn er aber - wie üblich - einen Monat pro Jahr auf einem Schiff verbringt, kann es schon vorkommen, dass er dann vom Ski-Langlauf träumt.

Jan-Michael Peters: Forschung an elementaren Lebensprozessen

Der Biologe Jan-Michael Peters forscht an elementaren Lebensprozessen. In den vergangenen Jahren hat sich der Wittgenstein-Preisträger 2011 am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) mit der Zellteilung und dem hochkomplexen Vorgang beschäftigt, wie die Erbinformation so weitergegeben wird, dass die Tochterzellen tatsächlich eine identische Kopie der DNA erhalten. Dem 48-Jährigen hat sich dabei ein völlig neues, aber ebenso elementares Thema erschlossen, dem er sich mit dem Preisgeld des Wittgenstein-Preises widmen will: wie die Erbinformation in den Chromosomen verpackt ist, "ein sehr unerschlossenes Forschungsgebiet, in dem wir extrem wenig wissen", wie Peters erklärte.

Peters wurde am 16. August 1962 in Heide (Schleswig-Holstein) geboren. Schon seit seiner Kindheit galt sein Interesse der Natur und lebenden Wesen, insofern war auch seine Studienwahl eindeutig: Er studierte Biologie an den Universitäten Kiel und Heidelberg, wo er 1991 sein Doktoratsstudium abschloss. Seine Postdoc-Jahre verbrachte Peters am Deutschen Krebsforschungsinstitut in Heidelberg und an der Harvard Medical School, ehe er 1996 Gruppenleiter am IMP wurde.

Nicht ganz typisch für das Karriereschema des IMP, wo Junior-Wissenschafter nach maximal acht Jahren das Institut wieder verlassen müssen, avancierte Peters 2002 zum Senior Scientist und damit auf eine permanente Stelle. Seit heuer ist er zudem stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des IMP, wo mittlerweile bereits fünf Wittgenstein-Preisträger beschäftigt waren bzw. sind.

Die "so hervorragenden Arbeitsbedingungen und das gute wissenschaftliches Umfeld" seien neben der "exzellenten Lebensqualität" Wiens der Hauptgrund dafür, dass Peters so lange geblieben ist. Dazu kommt das große Interesse des Vaters von zwei Kindern an Kunst, Literatur und Musik, "was es doppelt lebenswert macht, in Wien zu leben". Wissenschaft sieht er nur als einen Zugang zur Welt und es gebe andere Dinge wie Literatur und Kunst, "die auf ganz andere Weise Erfahrungen vermitteln, die mir sehr wichtig sind", so Peters.

Für seine Arbeit wurde Peters in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Die Vorgänge bei der Zellteilung sind für den Wissenschafter eine zentrale Frage in der zellbiologischen Grundlagenforschung, aber auch ein Thema, das für alle Menschen in vielerlei Hinsicht relevant sei. Schließlich könnten Störungen bei der Aufteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen unter Umständen massiv die Gesundheit beeinträchtigen, etwa bei Krebserkrankungen, oder wenn Eizellen betroffen sind Behinderungen wie Trisomie 21 hervorrufen.

Peters und sein Team konnten u.a. in einem EU-Projekt den ersten Katalog aller menschlichen Gene, die für die Zellteilung notwendig sind, erstellen. Von den rund 22.000 menschlichen Genen sind 600 in irgendeiner Weise mit der Zellteilung befasst. Im Vorjahr hat Peters die Rolle des Eiweiß-Komplex "Cohesin" untersucht, der den im Zuge der Zellteilung bereits verdoppelten DNA-Strang zusammenhält. Dieses Protein kann sich mit Hilfe eines anderen Eiweißmoleküls (Sororin) ungewöhnlich stabil an die DNA anheften, so dass dieser DNA-Superkleber Jahrzehnte halten kann.

Wie sich im Zuge der Arbeiten herausgestellt hat, spielt dieses "Cohesin" auch eine wichtige Funktion dabei, wie die DNA in den Chromosomen verpackt wird - jenem Arbeitsgebiet, dem sich Peters künftig verstärkt widmen will. (APA)