Krise ist immer, doch das vielfach ineinander verschlungene Krisenlamento unserer Tage beeindruckt. Die "Darfur-Krise" ist mir noch geläufig, die "Mugabe-Krise" ebenso, und ob in Hellas und Portugal wir derzeit Eurokrise, Schuldenkrise oder Finanzkrise erleben, ist für das katastrophale Gesamtszenario einerlei. Die Griechen scheinen ganz Europa in den ökonomischen Abgrund ziehen zu können, in Lissabon hat der neue Premierminister "zwei furchtbare Jahre" in Aussicht gestellt. Jean-Claude Juncker sieht derweil Irland, Belgien, Italien, Spanien ebenfalls auf der Liste der konkursreifen Staaten. Auch die USA scheinen mit vollen Segeln einem Staatsbankrott entgegenzueilen: Kehrt die Welt zurück zur Goldwährung, zum Tauschprinzip, zum Naturalienhandel?

Die Krisologie nährt ihre Jünger

Auch die "EHEC-Krise" mag und mag nicht enden, deutsche Forscher tappen zäh im Dunkeln. Ist bald alle Nahrung eine zum Tode? Die Hacker-Angriffe nehmen zu, legen Flughäfen lahm, behindern den Geldverkehr und sorgen für Hilflosigkeit. Das Kyoto-Protokoll wiederum zum globalen Klimaschutz gilt als gescheitert, ganz im Gegensatz zur Nachfolgeregelung bei al-Qaida. In Libyen wird gemordet und in Syrien und in Pakistan. China exekutiert wie ehedem seine Todesurteile und verhaftet Regimegegner. Von der Nahrungsmittelknappheit und den Bürgerkriegen in den "Hungerregionen" wollen wir gar nicht reden.

Die Krisologie nährt ihre Jünger. Nirgends aber ist eine Überschrift in Sicht, die all das sinkende Sein in den Begriff brächte. Der Eindruck herrscht vor, man werde sich schon irgendwie durchwursteln. Im Durchwursteln hat die Menschheit Erfahrung. Das wird schon alles nicht so schlimm werden, lautet der Refrain. Die USA können nicht untergehen, der Euro kann nicht verschwinden, den EHEC-Keim wird man unschädlich machen, das Klima wird sich beruhigen, China wird die Demokratie noch zu schätzen lernen, da brauche es Geduld, und am Ende aller blutigen Aufstände stehe der Frieden, die Freiheit, die Republik.

Was aber, wenn alles Schlimme nur gekommen ist, um schlimmer zu werden? Wenn es tatsächlich langsam zu Ende geht mit Mutter Erde, Vater Staat? Wenn der Mensch künftig immer weniger Herr wird seiner Hervorbringungen und seines Widerparts namens Natur? Was also, mit einem Wort, wenn die Krisenakkumulation sich zur Apokalypse aufgipfelt? Wenn damit die heute noch undenkbare Überschrift gefunden wäre?

Bislang waren die Abgesänge verfrüht

Dagegen sträubt sich unser aller Empfinden, auch meines. Tatsächlich ging die Welt bis heute nicht unter. Tatsächlich waren alle Abgesänge verfrüht, alle düsteren Prophezeiungen Scharlatanerie. Der Mond hat sich nicht dauerhaft verdunkelt, die Sonne ihr Strahlen nicht eingestellt. Irgendwann aber ist alles vorbei. Und kurz davor wird man vermutlich am inbrünstigsten überzeugt sein, man habe alles im Griff.

Wer also - im Umkehrschluss - dem menschlichen Treiben eine längere Frist zusprechen will, der übe sich beizeiten in Apokalyptik. Sie hat in der Vergangenheit entscheidend dazu beigetragen, dass die finale Offenbarung ausblieb, bis ins Jahr 2011. (derStandard.at 21.6.2011)