Michael Poliza, "Classic Africa". € 98,- / 288 Seiten. teNeues Verlag, Kempen 2011

Foto: teNeues Verlag

Es ist beinahe so, als würde man in einem alten Fotoalbum stöbern, das man rein zufällig am Dachboden oder an einem verborgenen Ort bei Vorfahren entdeckt hat, durchblättert man Michael Polizas neuesten Bildband "Classic Africa". Allein Anmutung und Haptik gleichen einem geheimnisvollen Schatz: Sowohl das exzentrische Format als auch die Verwendung feinen Rauhleders als Einband evozieren Erinnerungen an wertschätzende fotografische Memoiren. Die pastellig in Sepia gehaltenen Duo-Tone-Prints vervollständigen diesen Eindruck.

Michael Poliza, der letzthin mit Luftbildaufnahmen in den Himmel über Afrika entführt hat, präsentiert anhand sensibler Porträts die Utopie einer Natur in Einklang und Harmonie. Dieser Kunstgriff gelingt aufgrund der Bildauswahl, der historisierenden fotografischen Verfremdung und aufgrund der Arrangements der großformatigen Seiten. Fauna und Flora muten in den seriellen Naturstudien an wie vor den Zeiten von Industrialisierung, Abrodung und Ausbeutung des Kontinents. Unberührtheit, Natürlichkeit imaginiert man angesichts der kargen, archaischen Fotografien von Löwen, Zebras, Kaffernbüffeln, Giraffen, Elefanten, Antilopen, diversen Affenarten, Hyänen et alii. Wie gewohnt fantastisch lebensnahe abgelichtet. Geistig begleiten Ernest Hemingway, Tanja Blixen oder Paul Bowles die visuelle Safari durch die Serengeti, durch Wüsten und Oasen, vom Südkap bis an den Nordrand Afrikas. Die martialische Tierwelt verhält sich wahrhaftig wie in den Beschreibungen der Literaten zu jener Zeit, als Afrikas Fauna und Flora weitgehend noch eine imaginäre "Terra incognita" darstellte.

Besinnung ist auch eine der dezidiert genannten Intentionen Polizas, der seit 2009 auch Botschafter des WWF ist, die er dem Buch mit auf den Weg gibt. "Immer mehr Arten verlieren ihren Lebensraum. Wie schön wäre es, wenn wir es schaffen könnten, unser wildes Afrika - und damit einen Teil unserer eigenen Vergangenheit - möglichst lang zu erhalten. Es ist noch nicht zu spät, etwas zu tun."

Besinnung auf das Wesentliche, das Ursprüngliche im Leben. Kontemplativ Ruhe zu suchen. Zeit zu hinterfragen, ob die gedankenlose, rücksichtslose Ausnutzung der Erde sowie der rein utilitaristische Zugang unseres hektischen Alltags wirklich das Wahre sein kann. Sentimental mahnend, ohne den Zeigefinger zu erheben. Artifiziell, pittoresk, wundersam - wunderbar unzeitgemäß. (Gregor Auenhammer/DER STANDARD, Printausgabe, 18./19. 6. 2011)