Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Stunde zusätzlicher Schlaf soll das Vierfache an Lebensqualität im Vergleich zu zusätzlichem Jahreseinkommen bringen

Foto: ap/Hermann J. Knippertz

Den heuer von uns gegangenen Peter Alexander würde vermutlich niemand als Protestsänger bezeichnen; vielmehr bleibt er uns als musikalische Inkarnation des "goldenen Wienerherzens" in Erinnerung. Dennoch verstecken sich in zumindest zwei seiner Titel gesellschaftskritische und nachgerade prophetische Inhalte: Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere; Und: So richtig nett ist's nur im Bett. Was soll daran gesellschaftskritisch sein?

Forschungen über Einflussfaktoren des Glücks erbrachten bis dato eher ernüchternde Befunde. Selbst als wichtig erachtete Variablen wie Einkommen, Familienstand, Ausbildungsniveau oder Arbeitslosigkeit erklären bestenfalls 15 Prozent der Unterschiede im Zufriedenheitsniveau von Menschen. Wo bleibt der Rest? Daniel Kahneman, Nobelpreisträger für Ökonomie, vermutete die Erhebungsmethoden als Grund für diese schwachen Zusammenhänge. Die meisten Studien erfragen "globales" Glück im Sinne von "Alles in allem: wie glücklich und zufrieden sind sie?"

Solche retrospektiven Gesamtbetrachtungen unterliegen allerdings der Gefahr, zu einem höchst geglätteten Gesamturteil führen. Würde man hingegen positive und negative Erfahrungen in konkreten Alltagssituation eruieren, träten Kahneman zufolge die Unterschiede viel deutlicher zutage.

Verschiedene "Wohlfühlbereiche"

Dem liegt die plausible Annahme zugrunde, dass z. B. reiche Menschen mehr Zeit in "Wohlfühlbereichen" wie Golfplatz oder Restaurant verbringen, während ärmere in ihrer Freizeit vor dem Fernseher sitzen oder im Supermarkt Schlange stehen. Somit müssten episodische Messungen deutlichere Ergebnisse zum beglückenden Effekt des Wohlstands bringen.

Indes: Das genaue Gegenteil war der Fall. Episodische Messungen aller möglichen Tageserfahrungen und die daraus abgeleitete kumulierte Affektbalance (positive minus negative Erlebnisse) lassen ab einem gewissen Grundniveau praktisch keine Unterschiede zwischen mehr und weniger gut Betuchten, Gebildeten, Liierten, Beschäftigten etc. erkennen.

Glücksniveau

Die besondere Süße der süßesten Früchte trägt also weit weniger zum Genuss bei als der Umstand, überhaupt etwas zum Knabbern zu haben. Ab einem ziemlich niedrigen Grundniveau basieren die mageren 15 Prozent der Unterschiede im global gemessenen Glücksniveau anscheinend eher auf naiven Alltagstheorien (nach dem Motto: "Ich bin reich, also geht es mir gut") denn auf realen Lebensempfindungen.

Und hier kommt nun wirklich das Bett ins Spiel: wie wirkt sich ein Einkommensplus von 60.000 Dollar pro Jahr im Vergleich zu einer Stunde mehr Schlaf (sechs oder weniger im Vergleich zu sieben und mehr Stunden Schlaf) auf die episodisch erlebte Lebensqualität aus? Einschlägige Befunde deuten darauf hin, dass diese Stunde zusätzlicher Schlaf das Vierfache (!) an Lebensqualität im Vergleich zu 60.000 Dollar zusätzlichem Jahreseinkommen bringt. So gesehen ist es nur folgerichtig, dass es nie ein Lied von Peter Alexander mit dem Titel So richtig nett haben's nur die großen Tiere gab. (Johannes Steyrer, DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.6.2011)