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H.-C. Strache zeigt, wo's langgeht, ...

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... Werner Faymann bei einer Rede vor Parteifreunden zum Thema "Zukunft". - Und was wird aus den roten Nelken?

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Ab Samstag wird die FPÖ wieder eine "rechte" Partei sein mit Bekenntnis zum Deutschtum. So wird es ausdrücklich im neuen (nur noch 12 Seiten langen) Parteiprogramm stehen. Man fragt sich, war sie vorher denn nicht rechts, nicht deutschnational? Natürlich war sie es, sie war dort, wo sie behauptete zu sein, vermeintlich in der Mitte (wo bekanntlich alle sein wollen), sogar ziemlich rechts, immer schon. Es handelt sich bloß um eine formale Richtigstellung, nachdem unter Jörg Haider auf einmal Österreichpatriotismus statt Deutschtümelei angesagt war. Damit wurden Wahlen gewonnen und Wahlen verloren. In diversen Umfragen mutiert die Strache-Partei gegenwärtig zur stimmenstärksten Wählerversammlung im Land, und so wenig das alt-neue Parteiprogramm einen Paradigmenwechsel in der FPÖ darstellt, so sehr ist es einer in der österreichischen Innenpolitik, weil sich plötzlich die Koalitionsoptionen völlig verkehren und die EU-Perspektiven verdreht werden. Obwohl eigentlich alles ein Widerspruch ist.

Widerspruch Nummer 1: Die FPÖ bekennt sich wieder zur sogenannten deutschen Volksgemeinschaft und nähert sich damit in der Nationenfrage wieder dem großen Deutschland an. Doch in diesem in vielen Kommunen längst multikulturellen Deutschland gibt es den Begriff "deutsches Volkstum" gar nicht mehr. Außerdem ist Deutschland zu 100 % EU-orientiert, während die FPÖ die EU massiv ablehnt.

Widerspruch Nummer 2: Die FPÖ sendet mit dem neuen Parteiprogramm eindeutige Signale ans (sehr) rechte Lager aus - und gewinnt damit die SPÖ als Koalitionspartner, denn für die ÖVP können die Freiheitlichen aufgrund der EU-ablehnenden Haltung, wie sie nun im neuen Parteiprogramm festgeschrieben wird, keine wirkliche Koalitionsoption mehr sein. Es sei denn, die ÖVP will sich und wofür sie steht restlos aufgeben. Die SPÖ hingegen mag die Anti-EU-Forderungen der FPÖ voll und ganz zu teilen, was sie ja mit dem seinerzeitigen Krone-Brief kundgetan hat, unterzeichnet vom heutigen Bundeskanzler-Faymann. Das neue FPÖ-Programm nähert sich also formal diesem Brief, Herrn Faymann und der Kronenzeitung an - was eigentlich wiederum kein Widerspruch ist, aber doch irgendwie verquer scheint.

Natürlich ist die FPÖ für die SPÖ kompatibel, obwohl es ideologisch gar nicht passt. Die einen per definitionem rechts, die anderen "gefühlsmäßig" immer links. Aber was heißt schon rechts und links? Als vor ein paar Wochen ein Club 2 darüber Aufschluss geben wollte: "Wie rechts ist Österreich?", waren die Rollen in typischer ORF-Manier schwarzweiß verteilt: ein wenig chaotisch argumentierende Linke auf der einen Seite, nationale Burschenschafter auf der anderen, damit die Gegensätze halt auch so richtig aufeinanderprallen, also "medienwirksam" rüberkommen. Die eigentliche Frage, was nun wirklich rechts ist, wurde vom ORF nicht beantwortet, weil sie auch von Vornherein gar nicht wirklich gestellt wurde. Stattdessen ein wenig Show und vor allem Quote, die sich offenbar leichter erreichen lässt, wenn man den aktuellen "Trauerredner" vom 8. Mai, unter dem man sich gerne einen rechten Recken hierzulande vorstellen mag, in die Sendung lädt.

Aber das eigentlich gefährliche Rechts in diesem Land sieht doch anders aus: das Kronenzeitung-Rechts, der Heute-Populismus, die Österreich-Hetze gegen alles, was ein bisschen "aufgeklärt", ein bisschen "europäisch" ist. Kurz: der Boulevard, dem ein Herr Faymann pekuniär huldigt und die Überzeugungen der Partei, so es die überhaupt noch gibt, bereitwillig opfert. Und damit sind wir wieder bei der Koalitionsfrage und dem Widerspruch, der vielleicht gar keiner mehr ist. Stichwort EU-Populismus ("Volksabstimmung"), Stichwort Sozialpopulismus (Frühpension, Steuersenkung, Unternehmerfeindlichkeit).

Wenn man beobachtet, wie die SPÖ seit Jahren Grundsätze und Parteiprogramm zugunsten einer billigen, vermeintlich stimm-trächtigen Boulevardmeinung über Bord wirft, dann ist der ideologische Unterschied schon sehr gering, die Schnittmenge der SPÖ- und der FPÖ-Wähler sehr, sehr groß. Beide, SPÖ und FPÖ, agieren wie klassische Boulevardparteien. Die eine wird mit Populismus immer stärker, die andere versucht zu überleben, indem sie auf Populismus setzt. Die bittere Ironie der Geschichte: So wird aus einer "antifaschistischen" Partei eine Bewegung, die am Ende in vielem so "rechts" agiert wie der vermeintliche Widerpart. Man nennt es freilich in der Politsprache anders: Man sei eben nur "bürgernah", lauten die Argumente, mit denen sich Faymann & Co dann reflexartig verantworten. Und natürlich (noch ein Widerspruch!) sei man ja der "Demokratie" verpflichtet.

Aber kurzsichtig, wie man in der österreichischen Innenpolitik, die offenbar wenig aus der Geschichte gelernt hat, eben ist, hat man dieses Phänomen immer gern übersehen, vielleicht auch, weil es ideologisch nicht ins eigene Bild der SPÖ und auch vieler "linker" Journalisten passen mag: dass die Affinität zwischen SPÖ- und FPÖ-Wählern viel größer ist als die zwischen ÖVP und FPÖ und die eigentliche Gefahr nicht Schwarz-Blau, sondern vielmehr Rot-Blau heißen müsste. Das ist natürlich vor allem eine Frage der Sozialisation und mangelnder Bildungsprogramme. So überrepräsentiert die Burschenschafter im FPÖ-Klub sind, so wenig Bedeutung haben die (halb-)akademischen Deutschtümelnden in der Wählerschaft. Der typische FPÖ-Wähler kommt aus dem Gemeindebau und denkt kleinbürgerlich. Wie der klassische SPÖ-Wähler eben ...

Das hat natürlich auch eine historische Dimension. 1938 hatten die Nazis eigentlich nur noch einen tatsächlichen Gegner: die Christlichsozialen (die nur damals anders hießen), während ein Gutteil der Sozialdemokraten schon die SA-Uniform trug. (Ich höre jetzt geradezu den Aufschrei, naturgemäß!) Die damals wirklich Linken wandten sich entweder verbittert den Kommunisten zu oder traten, wie es sich für Intellektuelle gehört, den Weg in die innere Verzweiflung an (wo sie heute ja auch längst angelangt sein müssten). Nach 1945 wurde aus Braun dann wieder Rot, wobei einiges natürlich schon auch an die ÖVP abfiel, die nicht minder ungeniert um die Ehemaligen warb.

Doch so richtig passte es nie zusammen. ÖVP und Peter hätte genauso wenig funktionieren können wie ÖVP und Steger. Schüssel-Haider war eigentlich ein Phänomen, das erstens immer noch einer Klärung bedarf und zweitens auch voller Widersprüche war. Es funktionierte erst im zweiten Lauf, als sich die FPÖ herabließ, ideologisch ein bisschen sehr wie die ÖVP auszusehen. Man könnte das auch Vergrasserung nennen. Ein ebenso strategisches wie folgenschweres Kunststück von Wolfgang Schüssel, mit dem er jedoch für die ÖVP langfristig nichts gewann, im Gegenteil. Heute ist die FPÖ so meilenweit von der ÖVP entfernt wie diese von der Macht im Land.

Noch ein Widerspruch: Der Einzige, der aus der Geschichte gelernt zu haben scheint, wäre dann H.-C. Strache. In dem Augenblick, als auch er, wie einst Haider, regierungsoptional zu denken begann und den braunen Ballast abwerfen wollte, hat er begriffen, dass das gar nicht geht, will er nicht so enden wie Haider vor ihm. Also doch der Kniefall vor den rechten Recken, der formale Ruck wieder nach rechts und jetzt erst recht rechts - mit der gewollten oder ungewollten Folge eines innenpolitischen Paradigmenwechsels, der der SPÖ zwar mittelfristig die Kanzlerschaft sichern mag, sie aber ideologisch endgültig in die Bredouille bringt.

Die ÖVP ist in diesem Szenario fein heraus: Sie spielt, wie es aussieht, keine Rolle mehr. (Kommentar der anderen, Gerhard Zeillinger, STANDARD-Printausgabe, 17.6.2011)