In der Geschäftswelt ist es ein ganz normaler Vorgang. Kommt ein Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten, haben die Gläubiger zwei Möglichkeiten. Entweder sie stimmen einem "Ausgleich" zu, verzichten also auf einen Teil ihrer Forderungen und hoffen, dass sich durch den Schuldennachlass das Unternehmen wieder erholt. So bekommen sie wenigstens einen Teil ihres Geldes zurück. Oder sie bleiben hart, bis das Unternehmen ganz zusammenbricht, und verlieren so all ihre Kredite. Deswegen wird der erste Weg häufig gegangen.

Übertragen wir diese Strategie auf Griechenland. Und hören wir endlich auf, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Jeder, der sich auch nur ein wenig in der Finanzwelt auskennt weiß: Griechenland wird seine gewaltige Schuldenlast niemals zurückzahlen können. Da helfen die brutalsten Sparprogramme nichts, welche die griechische Bevölkerung jetzt erleiden muss: Drastische Pensions- und Gehaltskürzungen, Steuererhöhungen, Hinaufsetzen des Pensionsantrittsalters, Privatisierungen, ein öffentlicher Investitionsstop.

Diese würgen die Wirtschaftsentwicklung ab, mindern Steuereinnahmen und erhöhen Staatsausgaben durch eine Explosion der Zahl der Arbeitslosen. Denn was sind die sogenannten europäischen Hilfspakete? Sie sind weitere Kredite, für welche weitere Zinsen zu zahlen sind, um bisherige Kredite zurückzuzahlen.

Genauer: Diese Hilfspakete helfen den Griechen gar nichts. Das Geld bleibt ja nicht dort, sondern fließt sofort zurück. Diese Zahlungen sind ausschließlich im Interesse v.a. europäischer Kreditgeber, deutscher, französischer auch österreichischer Banken, welche Griechenland Geld geborgt haben.

Zur Erinnerung: Der Zinssatz für griechische Staatsanleihen liegt schon sehr lange über jenem für Deutschland oder Österreich. Weil eben schon lange erkannt wurde, dass griechische Staatsanleihen ein höheres Risiko bergen.

Und dafür sollen wir, europäische Steuerzahler immer weiter zahlen? Damit Geldanlagen an risikobehaftete Länder ein sicheres Geschäft sein sollen? Warum nicht einfach so (ich weiß, ganz einfach ist es nicht, aber die Grundrichtung wäre notwendig):

Jene Geldgeber, die Griechenland Geld geborgt haben, in Kenntnis der Tatsache, dass es ein höheres Risiko darstellt, verhandeln einen Ausgleich. Einen Schuldennachlass von wahrscheinlich 50%. Jetzt höre ich schon das Geschrei: Ja, aber die armen Banken in Deutschland, in Frankreich in Österreich, die gehen doch dann pleite.

Schauen wir genauer hin und überlegen wir folgende Strategie.

  1. Die Spareinlagen sind staatlich gesichert
  2. Um deutliche Abschreibungen (Verluste) aus griechischen Krediten zu verkraften, dafür muss zuerst das Eigenkapital der Bank "bluten", das sind einmal die Einlagen der Aktionäre dieser Bank.
  3. Reicht das nicht, kommen die Anleihen dran, welche alle Banken ausgegeben haben. Ja das heißt Verluste für jene, die diesen Banken Geld geborgt haben.
  4. Und reicht das zum Abdecken der Verluste auch nicht, dann könnten diese Banken, will man sie nicht pleite gehen lassen vom Staat "aufgefangen", d.h. verstaatlicht werden. Dazu müsste das Eigenkapital aufgestockt werden, der Staat würde Anteile erwerben. So haben es die USA mit GM sowie einigen Banken gemacht. Läuft das Geschäft gut (was ja im Bankbusiness vorkommen soll), können diese Anteile nach ein paar Jahren gewinnbringend wieder verkauft werden. Genau so lief es in den USA.

Was derzeit die Diskussion lähmt und auch unglaublich nervt, ist diese absurde, falsche Lagerbildung. Bist du ein guter Europäer, dann musst Du für weitere "Hilfspakete" sein. Bist Du ein rechter Nationalist, dann skandierst Du "unser Geld für uns're Leut", beschimpfst die Griechen (Arbeitsmoral, etc.) und lehnst "Hilfspakete" ab.

Ich beziehe eine dritte Position.

Ich möchte die Griechen so rasch als möglich von einer niemals rückzahlbaren Schuldenlast befreien. Ich möchte jene zur (finanziellen) Verantwortung ziehen, welche in Kenntnis des erhöhten Risikos geglaubt haben, höhere Renditen zu erzielen, da sie geglaubt haben, am Ende haftet ohnehin der Steuerzahler.

Die Griechen sollen den Lohn ihrer Konsolidierungbemühungen selbst erhalten. Und ich möchte nicht, dass öffentlich Mittel über den Umweg "Griechenland" wieder auf den Konten spekulativ handelnder Geldgeber landen.

Schuldennachlass ("Ausgleich") ist eine Errungenschaft, die einen Neubeginn ermöglicht. Schuldennachlass zieht jene zur Verantwortung, die "spekuliert" haben.

Meine EU nennt diese Dinge beim Namen, und versucht erstmals etwas, was noch nie da war. (Christoph Chorherr, derStandard.at, 16.06.2011)