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Paris - Die Ausstellung "Leonardo da Vinci, Zeichnungen und Manuskripte" ist die größte Ausstellung, die Frankreich jemals diesem italienischen Universalgenie (1452-1519) gewidmet hat - und derzeit die einzige in Europa. "Die letzte Retrospektive über diesen Meister fand im Louvre im Jahr 1952 statt. Doch die war bei weitem nicht so umfangreich. Wir sind sehr glücklich, diese Ausstellung zeigen zu können", erklärte Henri Loyrette, Leiter des Louvre, der die schönste Sammlung der Welt an Zeichnungen und Malereien von Leonardo da Vinci besitzt.

Die mehr als 130 Zeichnungen des Italieners, darunter 47 seiner Mitschüler und Schüler, drei Gemälde und zwölf Manuskripte sind bis zum 14. Juli in Paris zu sehen - bevor sie großteils wieder in den Sammlungen englischer, italienischer, deutscher, amerikanischer und französischer Museen verschwinden. Die Ausstellung - sie war Anfang dieses Jahres im New Yorker Metropolitan Museum für knappe neun Wochen mit etwas weniger Gemälden und ohne Manuskripte zu sehen - ist chronologisch und thematisch aufgebaut. Sie verfolgt da Vincis künstlerische Laufbahn bis zu ihren Anfängen zurück.

Dem Lebensweg folgend

Diese beginnt im Jahr 1470 in Florenz, im Atelier des seinerzeit führenden florentinischen Künstlers Andrea del Verrocchio, bei dem da Vinci in die Lehre ging. Da Vinci war keine 17 Jahre alt und beherrschte schon die Darstellung drapierter Tücher und Kleider. Drapierungen waren für ihn wie skulptierte Monumente: Das Spiel mit Schatten, Licht, Kontrasten und Volumen war bereits perfekt. In dieser frühen Schaffensperiode entstanden auch die Werke "Anbetung der Könige" und die berühmte "Felsgrottenmadonna", sein erstes Auftragswerk.

Die nachfolgenden Säle zeigen Porträts, die von Abbildungen schöner Hofdamen bis zu Grotesken reichen, von der Idealisierung der Jugend bis zur Karikatur des Alters. Sein Interesse galt dem Schönheitsideal der italienischen Renaissance, aber auch dem alternden und entstellten Körper. Die Zeichnungen, die einen alten faltigen Mann mit aufwärts gekrümmten Kinn, hakenförmiger Nase oder Hängebacken abbilden, gehören zu seinen berühmtesten Werken.

Leihgabe

Die Anordnung der Werke, die oft nicht viel größer sind als ein DIN-A-5 Blatt, ist sehr großzügig. Die Aufhängung der Werke wird durch Vitrinen unterbrochen, in denen insgesamt zwölf Manuskripte ausgestellt sind - eine außergewöhnliche Leihgabe der Bibliothek des renommierten Institut de France. Die meisten dieser Manuskripte wurden nach dem Tod des Künstlers gebunden und enthalten grundlegende wissenschaftliche Beobachtungen auf den Gebieten Anatomie, Biologie, Geologie, Optik und Mechanik. Zuletzt wurden diese kostbaren Seiten anlässlich der Ausstellung "Hommage an Leonardo da Vinci" im Louvre im Jahr 1952 gezeigt.

Da Vinci erfand einen Flugapparat und entdeckte beinahe den Blutkreislauf. Er wurde zum berühmtesten Beispiel des Universalisten der Renaissance. Dabei konnte der uneheliche Sohn des in Florenz hoch angesehenen Notars Ser Piero und des Landmädchens Catarina kein Latein, die Gelehrtensprache der Zeit. Außerdem hatte er die Tendenz, fast nie eines seiner Projekte zu Ende zu bringen. "Dieser Mann wird nie etwas tun, weil er über das Ende nachdenkt, bevor er ein Werk beginnt", meinte Papst Leo X. - doch dafür war er Meister des Entwurfs.

Frauenporträts

Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung ist das Porträt der schönen Isabelle d'Este. Die Frau des Marquis von Mantua träumte von einem Porträt da Vincis. Trotz zahlreicher Posen wurde das Bild nie fertig. Aus dem Auftrag wurde so eine Studie, auf der das leicht verwischte Profil der jungen Frau abgebildet ist. Dieses unvollendete Werk ist Teil der umfangreichen Louvre-Sammlung von da Vinci, die dank großzügiger Mäzene wie Ludwig XII. und Francois I. bereits in der Renaissance angelegt wurde. Die Zeichnung der jungen Isabelle d'Este gilt als Vorläuferstudie zu einem Porträt, vor dem heute die Louvre- Besucher Schlange stehen - das der schönen und mysteriösen "Mona Lisa". (APA/dpa)