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Wien - Aussagen von US-Finanzminister John Snow beim G-7-Treffen am Wochenende, der die jüngsten Abwertungen des Dollars als "recht moderat" bezeichnet hatte, haben zu einem erneuten Kursanstieg des Euro geführt. "Die Amerikaner reden den Dollar ganz bewusst schwach, um ihr riesiges Leistungsbilanzdefizit von 530 Milliarden Dollar in den Griff zu bekommen", sagte der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung in der Nationalbank, Peter Mooslechner. Auch Japan werde aus Washington seit Monaten geraten, doch den Yen abzuwerten, um die Konjunktur anzukurbeln.

Die europäische Gemeinschaftswährung erreichte am Montag im Handelsverlauf ein Tageshoch von 1,1738 Dollar. Damit blieb der Euro nur knapp unter den 1,1747 Dollar, die er am 4. Jännerr 1999 bei seiner allerersten Notiz gekostet hatte. Am Dienstag um 9 Uhr MESZ hielt der US-Dollar gegen den Euro bei 1,1643. Das historische Hoch des Euro liegt bei 1,1906 Dollar. Der Leiter der Außenhandelsorganisation in der Wirtschaftskammer, Walter Koren, sieht die "kritische Schwelle" bei 1,2 Dollar. "Dann wird es für die Exporteure wirklich teuer."

Wachstumsverlust in Österreich

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat unterdessen errechnet, dass der Euroanstieg seit Jahresbeginn die österreichische Volkswirtschaft heuer einen halben Prozentpunkt Wachstum kosten wird. Das IHS schätzte das heimische Wirtschaftswachstum zuletzt auf 1,5 Prozent.

IHS-Währungsexperte Christian Helmenstein sagte zum STANDARD: "Das heißt noch nicht, dass wir die Prognose automatisch auf ein Prozent revidieren, weil es gibt auch positive Effekte aus dem Eurokursanstieg wie importierte Preisstabilität und niedrigere Treibstoffpreise. Aber die negativen Exporteffekte überwiegen klar."

"Enormer Kapitalbedarf" in den USA

Neben der Politik des schwachen Dollars der Amerikaner ist für RZB-Chefstratege Peter Brezinschek natürlich auch das um 1,25 Prozentpunkte höhere Zinsniveau in Europa ein Grund dafür, warum verstärkt Kapital in den Euroraum fließt. Der Hauptfaktor dahinter sei das US-Leistungsbilanzdefizit in Kombination mit dem US-Budgetdefizit von inzwischen 270 Milliarden Dollar, was einen "enormen Kapitalbedarf" in den USA auslöst. Zu "mindestens 50 Prozent" werde dieser US-Kapitalbedarf durch Kredite in Euro, Yen und Schweizer Franken gedeckt, was diese Währungen naturgemäß unter Aufwertungsdruck bringt.

Baldige EZB-Zinssenkung erwartet

Die allermeisten Ökonomen erwarten nun eine baldige Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank. Da die Inflation sinkt, sei es "völlig klar, dass der Zinssenkungsspielraum der EZB steigt", so Helmenstein. Hintergrund dafür ist wiederum die wachsende Deflationsangst in Europa, sagte Währungsexperte und Wifo-Ökonom Fritz Breuss. "Das wird das große Thema."

Der aktuelle Eurokurs schockt Breuss nicht. Der Experte hat auf Basis des Eurovorläufers "Ecu" bis 1978 zurückgerechnet und festgestellt, dass die Gemeinschaftswährung zum Dollar Anfang der 80er-Jahre und 1993 schon bei 1,44 bzw. 1,40 Dollar notierte. (Michael Bachner, DER STANDARD Print-Ausgabe, 20.5.2003)