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Terry Pratchett sorgte mit seinem Dokumentarfilm " Choosing to die" für Aufregung

Foto: AP Photo/Lewis Whyld

Es ist ein medialer Tabubruch, der den Zuschauern der BBC zugemutet wurde. In einem Dokumentarfilm des Schriftstellers Terry Pratchett wurde den Briten vor Augen geführt, was aktive Sterbehilfe bedeutet.

Peter Smedley, ein Hotelier aus Guernsey, litt an einer unheilbaren Motorneuronkrankheit. Der 71-Jährige entschied sich, in die Schweiz zu fahren, um dort seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Ein BBC-Team kam mit. Vor laufender Kamera schluckte Smedley einen Cocktail aus tödlichen Schlafmitteln. "Sei stark, mein Liebling", sagt er noch zu seiner Frau, bevor er den Kopf zur Seite legt, einschläft und schließlich aus dem Leben scheidet. Ein Ärztin öffnet das Fenster, damit die Seele entfliehen kann.

Noch nie zuvor wurde so etwas einem breiten Fernsehpublikum in Großbritannien zugemutet. Vor zwei Jahren strahlte zwar der Sender Sky Real Lives eine ähnliche Dokumentation aus, aber vor lediglich 230.000 Zuschauern. Diesmal löste der Selbstmord zur besten Sendezeit im Königreich heftige Reaktionen aus.

Empörte Leserbriefe

Rund 900 Zuschauer beschwerten sich bei der BBC, vier Mitglieder des Oberhauses schrieben einen empörten Brief an die Anstalt, und in den Leserbriefspalten der Zeitungen wogt der Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der aktiven Sterbehilfe. "Selbstmordpropaganda" nennen Gegner den Film.

Terry Pratchett will die Kritik an seinem Dokumentarfilm Choosing to die, zu deutsch etwa: Den Tod wählen, nicht akzeptieren. Der Bestsellerautor, der selbst an Alzheimer erkrankt ist, findet es falsch, dass sich Briten "unter erheblichen Kosten in die Schweiz schleppen müssen", damit sie dort von ihren Leiden erlöst werden. Selbstmord ist in Großbritannien nicht illegal, aktive Sterbehilfe aber schon. Wer es dennoch tut, dem droht eine Anklage wegen Beihilfe zum Selbstmord und bei Schuldspruch eine Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren.

Der englische Gesetzgeber hat zwar wiederholt eine Reform der einschlägigen Gesetze abgelehnt. Aber der Oberstaatsanwalt Keir Starmer erließ Anfang des Jahres neue Richtlinien, nachdem Gerichte immer wieder liberalere Interpretation des Gesetzes demonstrierten. Wenn etwa Mitgefühl das Motiv der Helfer ist und der Sterbewillige gut informiert seine Entscheidung trifft, kann von einer Verfolgung abgesehen werden.

Eine parlamentarische Kommission wird im kommenden Dezember einen Bericht zur Sterbehilfe vorlegen, aufgrund dessen über eine Gesetzesnovelle und eine mögliche Legalisierung entschieden werden soll. (Jochen Wittmann aus London, DER STANDARD; Printausgabe, 16.6.2011)