Es klingt wie eine Szene aus einem Spionagefilm: Im Kampf gegen ein Regime, das Internet- und Mobilfunkkommunikation zensiert und immer wieder abschaltet, schmuggeln in einer geheimen Aktion ausländische Unterstützer lokaler Dissidentengruppen einen Koffer über die Grenze. Sein Inhalt: Ein Bausatz, um ein Schattennetzwerk aufzubauen, das unabhängig vom offiziellen Netz betrieben werden kann.
Zwei-Millionen-Projekt
Das "Internet aus dem Koffer" ist allerdings ein ganz reales Projekt. Ausgetüftelt wird es von einer Crew um Sascha Meinrath, einen New Yorker Mitarbeiter der Nonprofitorganisation Open Technology, die sich für einen günstigen und offenen Zugang zu Kommunikationsnetzwerken einsetzt. Der außergewöhnliche Auftraggeber: das US-Außenministerium. Das mit zwei Millionen dotierte Kofferprojekt ist Teil einer 70 Mio. Dollar schweren Kampagne. Mit dieser will Präsident Barack Obama Demokratiebewegungen insbesondere in arabischen Ländern digitalen Rückhalt geben, berichtet die New York Times. Die Bedeutung moderner Kommunikationswerkzeuge bei Protesten gegen Regimes wurde und wird etwa in Tunesien, Ägypten oder Syrien unter Beweis gestellt.
Input aus Österreich
Zum von Meinrath ausgetüftelte Internetbausatz gehören unter anderem kleine Wireless-Antennen, ein Laptop zur Verwaltung des Systems, mobile Speichermedien- und -laufwerke sowie Software auf Datenträgern, um das System auf weiteren Geräten aufsetzen zu können. Das Ganze basiert auf Mesh-Technologie. Mit dieser können sich - einfach erklärt - Wi-Fi-Router unter Umgehung von Basisstationen wie etwa Mobilfunkmasten vernetzen.
Militärtechnik "zivilisiert"
Und hier kommt beim Kofferinternet Österreich ins Spiel. Denn hierzulande wurde diese Militärtechnik von den Betreibern von Funkfeuer (einem freien, experimentellen, von den Nutzern selbst aufgebauten Netzwerk) "zivilisiert". "Wir haben nur eine Minikomponente dazu beigetragen", sagt Aaron Kaplan, ehrenamtlicher Funkfeuer-Pressesprecher und Mitarbeiter von Cert.at (Computer Emergency Response Team) bescheiden im Gespräch mit dem Standard. Prinzipiell hält er die Bemühungen der USA, neue Werkzeuge zur Unterstützung von Demokratisierungsbewegungen in unterdrückten Ländern auszuprobieren, für eine gute Sache. Allerdings gibt er zu bedenken, dass auch diese Mittel von der Gegenseite wieder umgangen werden könnten. (Karin Tzschentke/ DER STANDARD Printausgabe, 15. Juni 2011)