Ljiljana Zurovac, Chefin des bosnischen Presserats.

Foto: Fedja Krvavac

Herausgeber, die als Marionetten ihrer Eigentümer fungieren, Medien als Werkzeug politischer und ökonomischer Gruppen, die ihre Interessen mithilfe von Propagandaschlachten durchsetzen wollen, desillusionierte Journalisten und ein immer misstrauischer werdendes Publikum. Die Bosnier müssen dauernd die Interessen und Verstrickungen des Mediums, das sie konsumieren, mitdenken. Es fehlt an Information ohne manipulativen Beigeschmack. Das macht einen Teil der Apathie aus, in die viele verfallen sind - doch nicht alle.

Neben dem Stadtpark, wo die Grabsteine schief im Gras herumstehen, im Zentrum Sarajevos, arbeitet Ljiljana Zurovac, die Direktorin des bosnischen Presserats. Die Beschwerden, die hier von Bürgern eingehen, sind in den vergangenen zwei Jahren massiv angestiegen. Das hat damit zu tun, dass die vier Mitarbeiter des Presserats durch ganz Bosnien reisen und auf die Beschwerdemöglichkeiten aufmerksam machen. Das ist in dem Nachkriegsland, in dem ethnische und religiöse Diskriminierung in Medien besonders negative Auswirkungen hat, wichtig. Zurovac geht es aber vor allem um die Förderung eines Bürgerbewusstseins. "Das ist ja eine Generation von Leuten, die es gewohnt sind, von früheren politischen Systemen als Masse definiert zu werden", sagt sie. "Sogar heute verstehen sie nicht, dass die Demokratie ihnen das Recht gibt, für sich selbst zu kämpfen. Sie glauben, es ist besser, still zu bleiben. Die Angst ist in ihre DNA eingeschrieben."

Name und Unterschrift

Wer eine Beschwerde beim Presserat einbringt, muss in Bosnien tatsächlich mutig sein, schließlich muss er mit seinem Namen und seiner Unterschrift dahinterstehen. "In kleinen Städten haben die Leute oft Angst vor den lokalen Sheriffs", sagt Zurovac und meint damit die lokale Mafia. Als der Presserat 2001 seine Arbeit aufnahm, kamen die meisten Beschwerden von Politikern, heute melden sich ganz normale Bürger, wenn sie in Zeitungen Diskriminierung (auch von Frauen) oder eine Verletzung der Privatsphäre bemerken.

Nach dem Krieg, Ende der 1990er haben sich die Medienfreiheit und die Qualität des Journalismus zunächst positiv entwickelt, auch weil das Medienrecht verbessert wurde. "Aber seit 2006 nach den Wahlen ist es bergab gegangen", so Zurovac. "Es kam vermehrt zu physischen Attacken gegen Journalisten, sogar vor laufenden Kameras. Man hat das Signal ausgesandt: Die Jagd ist eröffnet", erzählt sie. Damals hätten viele Internationale Organisationen, die für die Pressefreiheit arbeiteten, Bosnien bereits verlassen. "Wir sind alleingelassen worden, und unsere Institutionen waren zu jung. Es war so, als hätte man einem kleinen Kind einen Vogel in die Hand gegeben, das diesen noch nicht schützen konnte."

"Medienkrieg"

Dann seien die lokalen Politiker auf die Medien aufgesprungen, um ihre Interessen durchzusetzen. Der Presserat mobilisierte. Nun engagieren sich internationale Organisationen wieder vermehrt für Medienfreiheit. Seit den Wahlen vergangenen Herbst sei jedoch die Berichterstattung schlechter geworden, moniert Zurovac. "Dahinter steht ein Medienkrieg, vor allem zwischen den beiden öffentlichen Sendern der beiden Landesteile." Das Publikum werde durch diesen Krieg konfus gemacht.

Neben der Zusammenarbeit mit Richtern setzt Zurovac auch auf die Ausbildung junger Journalisten und holt Studenten aller vier Journalismusfakultäten in dem ethnisch geteilten Land zusammen. Die meisten von ihnen haben bis zu diesem Zeitpunkt gar keinen Kontakt zur anderen Volksgruppe.

Zurovac arbeitet auch daran, die Onlinemedien in den Presserat zu integrieren. Viele wollen Mitglied werden, weil sie sich dadurch mehr Reputation erhoffen. Und der Presserat hofft, dass die Qualität steigt. Postings oder anderer nutzergenerierter Inhalt fallen aber natürlich nicht unter den Pressekodex. Obwohl Hasssprache und Diskriminierung in solchen Foren, genauso wie in Österreich, ein großes Problem sind. Man überlegt daher, dass Leser selbst (wie etwa bei Wikipedia) regulierend einwirken und zum Beispiel Hasssprache in den Foren kennzeichnen können. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo/DER STANDARD; Printausgabe, 15.6.2011)